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 3.Kapitel ~Blutrote Spuren der Liebe~

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Enrico
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BeitragThema: 3.Kapitel ~Blutrote Spuren der Liebe~   3.Kapitel ~Blutrote Spuren der Liebe~ EmptyMi Jan 05, 2011 2:32 pm

3. Kapitel
~Blutrote Spuren der Liebe~
Noch lange hatte Enrico ihr nachgesehen. Es war schon ewig hergewesen, dass ihn eine Frau einfach so hatte stehenlassen. Wieso hatte sie das getan? Er hatte nicht den Eindruck gehabt, ihr hätte die gemeinsame Nacht nicht gefallen und warum zum Teufel hatte sie immer wieder sein Tattoo angestarrt? Wusste sie denn etwas damit anzufangen? War sie deswegen vor ihm geflohen? Hatte sie vielleicht selbst etwas mit den Gangs dieser Stadt zu tun? Er wusste es nicht, aber er würde es herausfinden. Die schwarze Rose auf ihrer Schulter, irgendwo hatte er sie schon einmal gesehen. Nur wo? Vielleicht würde sein Kumpel mehr wissen.
Während Enrico seine Sachen vom Strand einsammelt und sie anzog, nahm er sich fest vor, gleich Toni danach zu fragen, sobald er zu Hause war.
Dabei konnte er sich kaum vorstellen, dass Susens kleine Schwester in irgendwelche dunklen Machenschaften verwickelt war. Wobei, andererseits …
Als Enrico sich nach dem Anziehen streckte, um die Verspannung loszuwerden, die das Schlafen auf dem Boden mit sich gebracht hatte, schmerzte sein Rücken. Nur dunkel konnte er sich daran erinnern woher das Stechen und Brennen kam. Judy hatte ihre Fingernägel in seinen Rücken geschlagen.
Nachdem er ihr erst einmal ihre Hemmungen genommen hatte, war sie zu einer Wildkatze mutiert. Ein Schmunzeln huschte über seine Lippen, als er daran dachte, wie sie über ihn hergefallen war. Das hatte ihm so gut gefallen, dass er sich nicht über ihre scharfen Nägel beschwert hatte. Er wollte sie wieder sehen, um jeden Preis!
Mit schnellen Schritten rannte er über den Strand, zurück in den Stadtpark und von dort zum Club. Noch bevor er sein Ziel erreicht hatte, zog Enrico einen Schlüssel aus seiner Hosentasche. Er wollte keine Zeit verlieren. Als er seine Maschine erreichte, die er hinter dem Club geparkt hatte, schwang er sich auf sie und starte mit dem Zündschlüssel den Motor.
In Gedanken ging er den Stadtplan in seinem Kopf durch, um den schnellsten Weg nach Hause zu finden.
Während er Gas gab, entschloss er sich, den Highway zu nehmen. Durch die Innenstadt war es zwar kürzer, aber um diese Zeit waren die Straßen verstopft. Ohne darüber nachdenken zu müssen, fuhr Enrico los und lenkte sein Motorrad auf die Straße.
In Gedanken war er schon zu Hause. Hoffentlich war Toni im Lager. Er hatte ihn gestern mal wieder ohne ein Wort stehenlassen. Das gab sicher Zoff. Wie oft hatten sie sich deswegen schon gestritten? Aber Enrico konnte nicht aus seiner Haut. Bei Frauen wie Judy galt es nicht lange zu fackeln. Ob Toni das verstehen konnte? Sicher nicht. In seinen Gedanken hörte Enrico ihn schon meckern. Wieder musste er schmunzeln. Auch auf Tonis übliche Worte freute er sich und auf sein dummes Gesicht, wenn er ihm erzählte, dass er Judy um jeden Preis wiedersehen wollte.

Noch schneller jagte Enrico seine Maschine über den Highway, den er inzwischen erreicht hatte. In Schlangenlinien überholte er die langsameren Autos. Heute konnte es ihm nicht schnell genug gehen. Er nutzte jede Lücke aus, um voranzukommen, ganz gleich wie riskant das Überholmanöver dafür war. Sein Blut füllte sich mit Adrenalin. Ein wohliger Schauer überzog seine Haut. Um nicht abbremsen zu müssen, legte er sich in die Kurven, so tief, dass der Stoff seiner Hose, am Boden schleifte. In seinen Ohren begann es zu rauschen.
Er liebte die Freiheit beim Fahren, den Wind und das Kribbeln in seinem Magen. Genau so hatte er sich in der Nacht mit ihr gefühlt. Konnte es wirklich sein, dass er sich nach so langer Zeit tatsächlich wieder verliebt hatte?
Dieser Gedanke gab Enrico ein noch größeres Hochgefühl. Er merkte kaum wie er vom Highway abfuhr und die Straße ansteuerte, in der er wohnte. Ganz automatisch fand er dahin zurück, während er immer wieder ihr schönes Gesicht und ihre nussbraunen Mandelaugen vor sich sah.

Beinah hätte Enrico verpasst in die Einfahrt abzubiegen, durch die er musste. Gerade noch rechtzeitig hatte er den Lenker herumgerissen, als er sah, wie das große Eisentor von zwei seiner Leute für ihn geöffnet wurde. Mit einem Kopfnicken bedankte er sich bei ihnen und fuhr ohne anzuhalten weiter.

Ein unwiderstehlicher Duft drang ihm mit dem Fahrtwind in die Nase. Erst bei dem Geruch des Mittagessens, fiel ihm auf, wie hungrig ihn die Nacht gemacht hatte. Sein Magen knurrte, als er sein Motorrad in einer der großen Hallen, der stillgelegten Fabrik, abstellte. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Gebratenes Fleisch in einer deftigen Soße. Es roch so köstlich, dass hatte sicher Anette gekocht. Wie schade, dass er keine Zeit haben würde, sich daran satt zu essen.
Enricos Blick ging über die vielen Autos und Motorräder, die in der Halle parkten. Tonis Maschine stand zwei Autos weiter vor ihm. Er war also zu Hause. Sehr gut.

Im Vorbeigehen strich Enrico über die Motorhaube seines weißen Lamborghinis. Raphael hatte ihn also fertig lackiert und die Frontscheibe, mit dem Einschussloch, ausgetauscht. Der Wagen war gerade mal zwei Wochen alt gewesen, als Enricos Feinde ihn angegriffen hatten. Jetzt sah man nichts mehr von dem Gefecht. Wieder einmal hatte sein Bruder sein Können als Kfz-Mechaniker unter Beweiß gestellt. Wenn er ihm das nächste Mal einen Besuch abstattete, musste er ihm unbedingt etwas mitbringen.
Noch einmal fuhr Enrico über die schneeweiße Motorhaube. Für diesen Wagen war er über Leichen gegangen und auch die Kerle, die ihn demoliert hatten, hatten dafür mit ihrem Leben bezahlt.
Ein bitteres Lächeln überkam ihn, bei all diesen Gedanken. Er war wirklich ganz schön skrupellos geworden, seit er damals Toni kennengelernt hatte. Toni …
Jetzt hatte er beim Anblick seines reparierten Wagens fast vergessen, warum er nach Hause gekommen war.
Er wandte seinen Blick von dem Lamborghini ab und setzte sich wieder in Bewegung. Durch eine Tür, die aus der Lagerhalle führte, gelangte Enrico in eine zweite Halle. Der Duft des Mittagessens war nun so intensiv, dass er meinte das Fleisch schmecken zu können.
An einem langgezogenen Tischen saßen all seine Leute versammelt und drehten sich zu ihm um, als die Tür nach ihm zurück ins Schloss fiel. Augenblicklich wurde es still.
Nur wenige der Stühle waren noch frei, ebenso der Sessel an der Stirnseite des Tisches. Eigentlich sein Platz, aber für gewöhnlich saß Toni dort, wenn Enrico nicht zum Essen erschien. Enttäuscht ließ er seinen Blick erneut über die restlichen Sitzplätze schweifen, aber auch dort konnte er Toni nicht finden. Ein weiterer Beweis dafür, dass sein bester Freund stinksauer war und sich irgendwo abreagieren musste. Als Enrico nichts sagte und auch keine Anstalten machte, sich zu den anderen zu gesellen, setzten die Unterhaltungen wieder ein und auch die Blicke wandten sich von ihm ab. Nur eine der Frauen stand auf und kam mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen auf ihn zu.
“Enrico! Da bist du ja endlich. Ich hab dir was warmgehalten”, begrüßte Anette ihn überschwänglich und warf sich in seine Arme. Auch das noch. Als sie versuchte ihm einen Kuss aufzudrücken, packte er sie an den Oberarmen und hielt sie auf Abstand. Es war ein Fehler gewesen, mit ihr zu schlafen. Gut, er war betrunken gewesen, aber trotzdem. Seit der ersten Klasse war sie schon hinter ihm hergewesen und jetzt wurde er sie erst recht nicht mehr los. Seit der gemeinsamen Nacht bemühte sie sich um den Haushalt und tat alles um ihm das Leben zu erleichtern. Sie war schon immer wie ein Engel gewesen, mit ihren langen blonden Haaren und dem fröhlichen Lächeln. Sie war viel zu lieb für das Leben, das sie hier führten und viel zu führsorglich, als dass er sich hätte in sie verlieben können, so leid ihm das auch tat.
“Wo ist Toni?”, wollte Enrico schnell von ihr wissen, um sie von dem Vorhaben, ihn küssen zu wollen, abzulenken.
“Hinten im Skaterpark. Er hat gedroht dir den Kopf abzureißen, wenn du wieder da bist.” Anette verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn mit einer Mischung aus Besorgnis und Schadenfreude an. Das konnte ja was werden. Das sich Toni immer gleich so aufregen musste. Er müsste es doch längst gewohnt sein, dass er ihn für ein hübsches Mädel stehenließ.

Ohne Anette noch einmal anzusehen, ging er an ihr vorbei und auf den langen Tisch zu. Sein Ziel war einer der jungen Männer, der in ein angeregtes Gespräch mit seinem Gegenüber vertieft war. Der Kerl mit dem Kurzhaarschnitt und der roten Jacke, war ihm schon mehr als einmal unangenehm aufgefallen. In letzter Zeit war das schlimmer geworden. Immer wieder fuhr er ihm über den Mund und stellte alles in Frage, was Enrico ihm auftrug. Bevor er sich um Toni kümmern würde, wollte Enrico erst einmal das klären.
Als er den Tisch erreicht hatte, griff er über den Kopf des jungen Mannes und nahm ihm, ohne ein Wort, den Teller weg. Erschrocken sah ihn Jessen an. Er brauchte einen Moment, bis er sich gefangen hatte und entrüstet fragte:
“He, was soll d- …?” Finster sah Enrico ihn an, bis er verstummte.
“Was?”, wollte er todernst wissen, während er Jessen eindringlich musterte. Am Tisch war es wieder still geworden. Alle Blicke lagen auf ihnen beiden.
Enrico hatte das Recht sich hier jeden Teller zu nehmen, den er wollte. Sollte sich Jessen jetzt, vor allen dagegen auflehnen, würde Enrico ihn daran erinnern müssen, dass er nicht nur der Chef, sondern auch um einiges stärker und schneller war als er. Jessen wusste das. Dem finsteren Blick Enricos, leistete er nur kurzen Widerstand, bevor er ihn abwandte.
“Schon gut, ich hol mir einen Neuen!”, gab er sich geschlagen und stand auf, um sich aus der Küche eine zweite Portion zu holen. Zufrieden sah Enrico ihm nach, bevor er sich auch noch die Gabel vom Tisch nahm und damit seinen Weg fortsetzte. Die Blicke die ihm folgten, konnte er im Rücken spüren, aber es störte ihn nicht. Jessen in seine Schranken zu weisen, war längst überfällig gewesen.
Noch während des Laufens, begann Enrico zu essen. Hastig schlang er das Fleisch und die Kartoffeln darauf hinunter und nahm sich nicht die Zeit beides richtig zu zerkauen. Wenn er ausgehungert war, konnte er einfach nicht anders. Noch bevor er die zweite Tür in der großen Halle erreicht hatte, war der Teller leer und so stellte er ihn und die Gabel, auf einem der vielen Fensterbretter ab. Irgendjemand würde sich schon darum kümmern und ihn wegräumen. Er hatte wichtigeres zu tun.

Durch die Tür gelangte Enrico in einen langen Flur. Von ihm gingen etliche Türen ab und führten in kleinere Zimmer. Diese ehemaligen Büros, hatte Enrico mit seinen Leuten zu Schlafzimmern umgebaut. Jedes Mitglied hatte dort sein eigenes Reich. Das war auch nötig, da seine Bande hauptsächlich aus ehemaligen Straßenkindern bestand, die sonst kein Dach über den Kopf gehabt hätten. Ein Grund mehr die ganze Bande unter Kontrolle zu halten und keine Widerworte zu dulden. Etwas, das Enrico schmerzhaft hatte lernen müssen, als er vor gut einem Monat den Posten des Chefs übernommen hatte. Damals hatte Jessen ihn im Schlaf angegriffen, um ihn einzuschüchtern und selbst der Chef zu werden. Dem würde Enrico in Zukunft vorbeugen, in dem er hin und wieder vor allen klarstellte, wer hier das Sagen hatte.

Am Ende des langen Flurs, war eine weitere schwere Eisentür, die Enrico aufzog. Hinter ihr lag der Skaterpark. Eine Hall, die seine Leute mit Rampen und Hindernissen vollgestopft hatten, nannten sie so. Wer immer Lust dazu verspürte, konnte hier mit Skateboards oder Rollerskater die Halfpipes unsicher machen. Meistens war das Toni, der dort in gewagten Sprüngen seinen Frust abließ, wenn er sich über irgendetwas ärgerte. Fast immer war Enrico der Grund dafür.

Auch heute war Toni wieder allein hier. Das Rollen der Räder auf den Rampen konnte Enrico hören, noch bevor er seinen Freund mit den Augen gefunden hatte. Einmal atmete er tief durch. Der Wut seines Freundes musste er sich jetzt stellen, wenn er an die Infos kommen wollte.
Auf der größten den beiden Halfpips fuhr Toni immer wieder auf und ab. Er sah ihn noch nicht einmal an, obwohl er durch das Zuschlagen der Tür, gehört haben musste, dass jemand zu ihm kam. Seine ganze Konzentration und Aufmerksamkeit galt seinen Sprüngen, die nun, da Enrico hier war, noch lebensmüder wurden. Einmal mehr schüttelte Enrico über seinen Freund den Kopf. Toni wusste zwar was er hier tat, trotzdem fürchtete Enrico, dass er sich dabei irgendwann einmal den Hals brechen würde.
Neben der Pipe blieb er stehen und sah Toni eine Weile schweigend zu. Die Arme verschränkte er vor der Brust und lehnte sich seitlich an eine der Stützen der Pipe.
Wie nur sollte er ein Gespräch anfangen, das nicht in einem Streit ausartete?
“Wie schade …”, begann Toni schließlich als erster zu sprechen, aber Enrico verstand nicht, was er damit sagen wollte. Was war denn so schade? Eine Augenbraue zog er fragend in die Höhe, während Toni ihn nur flüchtig ansah und sich dann wieder auf das Fahren konzentrierte.
“… ich hatte gehofft, die Drachen hätten dich erwischt!” Das sollte wohl ein Scherz sein? Er war ja noch nicht mal im Gebiet des verhasten Feindes gewesen. Enrico beschloss auf diese dumme Bemerkung keine Antwort zu geben. Toni meinte das sowieso nicht ernst, er wollte sich nur streiten.
“Warum musst du dich eigentlich immer so aufregen, wenn ich mit nem Mädel abziehe?”, wollte er stattdessen wissen.
“Wenn’s nur das wäre.” Endlich unterbrach Toni seine Fahrt und kam von der Pipe herunter, um Enrico ansehen zu können, während er mit ihm sprach:
“Du bist jetzt seit gut einem Monat Chef der Wölfe. Seit dem haben die Drachen schon drei Mordanschläge auf dich verübt, mal von den kleineren Schießerrein zwischendurch ganz zu schweigen. Du kannst nicht mehr ohne Rückendeckung durch die Gegend ziehen.” Bei all diesen Worten rollte Enrico nur mit den Augen. Mit seinen Fingern trommelte er abwartend auf seinen verschränkten Armen herum, bis Toni endlich fertig war. Wie oft hatte er sich das jetzt schon in den letzten Wochen anhören müssen?
“Ich komm schon klar”, gab er Toni gelangweilt zurück.
“Ja sicher. Das letzte Weib, das du abgeschleppt hast, wollte dich erstechen, als du mit ihr geschlafen hast.” War ja klar, dass Toni diese Geschichte wieder anbringen musste. Der Vorfall war schon zwei Wochen her und er hatte ihn überlebt. Das reichte doch. Wieder rollte Enrico mit den Augen und behielt sich vor, dieses Mal nichts darauf zu sagen. Tonis finsteren Blick hellte sein Schweigen jedoch nicht auf. Argwöhnisch sah er um Enrico herum auf dessen Rücken. Verwirrt davon folgte Enrico seinem Blick. Was war da bitte so interessant?
“Und mit wem hast du dich heute wieder angelegt?”, wollte Toni wissen. Ob er wohl die Kratzspuren durch das dünne Hemd hindurch sehen konnte? Ein Schmunzeln huschte über Enricos Gesicht, als er an Judy und die Nacht mit ihr zurück dachte.
“Mit einer echt scharfen Wildkatze!”, war seine Antwort.
“Deine Weibergeschichten bringen dich noch mal um.”
“Ich weiß!” Enrico musste bei seiner Antwort auflachen. Wie oft hatten ihn seine Liebschaften schon in Schwierigkeiten gebracht? Er hatte aufgehört zu zählen, wie oft er aus dem Schlafzimmer einer schönen Frau flüchten musste, weil der Freund oder Ehemann dazu kam. Neuerdings hatten auch die Drachen seine Schwäche entdeckt und die ein oder andere Schönheit auf ihn angesetzt. Wäre Toni nicht dazu gekommen, hätte ihn das vor zwei Wochen sicher das Leben gekostet. Die frische Narbe die sich über seinen Brustkorb zog, erinnerte ihn täglich daran. Trotzdem, er wollte sich nicht ändern. Ihm gefiel sein aufregendes Leben, genau so wie es war. Etwas, das Toni nicht verstehen konnte.

“Komm schon Toni. Wir könnten bereits Morgen von irgendeinem Scharfschützen umgelegt werden, warum sollte ich dann heute auf irgendetwas verzichten?” Das war zu seiner Lebenseinstellung geworden, seit er durch Toni ins Gangleben abgerutscht war. Jeder Tag konnte sein letzter sein und so wollte er ihn auch leben.
“Dir ist echt nicht mehr zu helfen!” Das war auch etwas das Toni nicht verstehen konnte. Er saß zwar mit Enrico im selben Bot und stand gleich neben ihm, auf der schwarzen Liste der Drachen, aber er würde nie absichtlich sein Leben aufs Spiel setzen. Es brachte nichts mit ihm darüber zu diskutieren.
“Ich weiß”, versicherte Enrico ihm nur belustigt und wechselte dann schnell das Thema, “Aber wo wir gerade bei helfen sind. Ich muss dir da was zeigen.”
“Vergiss es! Ich komm nicht noch mal mit in den Club und helf dir ne Neue für heute Nacht zu finden.”
“Musst du auch gar nicht. Fürs erste hab ich Judy.” Wieder huschte ein Lächeln über Enricos Gesicht, als er an sie dachte. Er wollte im Moment gar keine andere. Das war für Toni scheinbar so befremdend, dass er argwöhnisch eine Augenbraue in die Höhe zog, als er noch einmal nachfragte:
“Langsam! Wie war das?”
“Ich will sie wieder sehen und dafür brauch ich deine Hilfe”, gab Enrico offen zu, auch wenn sich das aus seinem Mund für Toni lächerlich anhören musste.
“Du willst sie wiedersehen? Die selbe Frau? Zwei mal hintereinander? Bist du krank? Hast du Fieber?” Um seine Vermutung zu prüfen, streckte Toni seine Hand nach Enricos Stirn aus und wollte sie befühlen, aber Enrico schlug sie zur Seite, noch bevor er die Finger seines Freundes am Kopf spüren konnte.
“He, lass den Blödsinn! Ich meins ernst. Du predigst mir doch ständig, ich soll mir was festes suchen. Also hilfst du mir jetzt oder nicht?” Einen Momentlang zögerte Toni. Von oben bis unten, sah er ihn prüfend an. Ein schelmisches Grinsen legte Enrico auf.
“Bitte”, bat er mit zuckersüßer Stimme, um Toni zu überreden.
“Mhm, na schön, aber nur, weil ich sehen will wie lange du das durchhältst. Du und dich auf eine festlegen, dass ich nicht lache.” Sehr gut. Was Toni davon hielt, spielte erst mal keine Rolle. Hauptsache, er war bereit ihm zu helfen.
“Dann komm mit!”, forderte Enrico seinen Freund auf und ging voraus. Den Weg den er gekommen war, ging er nun zurück. Eine der Türen, in dem langen Flur, steuerte er an. Sein Zimmer. Dort würde er Papier und einen Stift finden, um Toni die Rose aufzuzeichnen, die er auf Judys Schulter gesehen hatte. Hoffentlich würde ihm das weiterhelfen.
Als Enrico die Tür zu seinem Zimmer öffnete, erwartete ihn das übliche Chaos. Ausnahmsweise hatte Anette mal nicht aufgeräumt. Ein Glück. Er hatte es ihr ja auch schon hundert mal gesagt, dass sie sich von seinen Sachen fernhalten sollte. Er fand sich in dem Chaos einfach besser zu recht, als wenn er sie dauernd fragen musste, wo sie was hingeräumt hatte.
“Man, du solltest hier mal wieder aufräumen!”, brummte Toni und trat einen Berg Hemden zur Seite, der ihm im Weg lag, als sie das Zimmer betraten. Jetzt fing er auch noch damit an. Konnte ja nicht jeder so ordentlich sein wie Toni. In seinem Zimmer fand man nicht mal ein Staubkorn, während die Anlage in Enricos Zimmer und auch das Bücherregal unter einer Meterhohen Staubschicht begraben lagen. Auf dem Boden verteilt sich all die Sachen, die er im Moment nicht angezogen hatte. Der Kleiderschrank stand offen und war bis auf zwei Hosen leer. Sein Bett, das den Raum vor dem Fenster ausfüllte, lag verwüsstet, genau so, wie er es am Tag zuvor verlassen hatte. Wozu es auch herrichten, wenn er am nächsten Tag eh wieder hineinfallen und im Schlaff alles verwüsten würde? Über zwei der Wäscheberge stieg Enrico und räumte einen Stapel Bücher von dem Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand. Dann erst konnte er sich setzten. Da es der einzige Stuhl im Raum war, musste Toni mit dem Bett, als Sitzgelegenheit vorlieb nehmen. Die Decke schlug er zurück, bevor er sich setzte.
“So, und jetzt?”, wollte er ungeduldig wissen.
Den Stapel Bücher setzte sich Enrico auf den Schoss und nahm sich ein weißes Blatt vom Schreibtisch. Obwohl es dort genau so chaotisch aussah und zerknüllte Zeichnungen, Bücher und Zeitschriften übereinander lagen, fand er zielstrebig den Bleichstift, der unter einer Motorradzeitschrift lag. Genau dort, wo er Enrico aus der Hand gefallen war.
“Pass auf!”, wies er Toni an. Während er das Blatt auf die Bücher legte und diese als Unterlage nutzte, begann er die Rose aus dem Gedächtnis nachzuzeichnen. Die Blütenblätter füllte er schwarz aus, bis sie dem Rosentattoo ähnelten. Als die Zeichnung zu seiner Zufriedenheit fertig gestellt war, gab er das Blatt an seinen Freund weiter.
“Hast du die schon mal irgendwo gesehen? Als Zeichen einer Gang oder so? Sie kommt mir bekannt vor, aber ich kann sie nicht einordnen.”
“Wo hast du sie denn gesehen?”
“Judy trägt sie als Tattoo auf der Schulter.”
“Und weiter? Eine Rose ist ein häufiges Tattoomotiv.”
“Ja, schon. Aber sie ist erst abgehauen, als sie meinen Wolff gesehen hat. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie irgendwas mit den Gangs dieser Stadt zu tun hat und fürchtet, ich könnte ihr gefährlich werden.”
“Kann’s nicht auch einfach mal sein, dass du ihr nicht gut genug warst?” Grimmig sah Enrico Toni für diese Bemerkung an. Das war mit Sicherheit nicht der Grund gewesen. Da war er sich hundert Prozent sicher.
“War nur so ein Gedanke”, fügte Toni seinen Worten gelangweilt an.
“Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie deswegen gegangen ist. Sie ist ja immerhin so abgegangen, dass sie mir den Rücken zerkratzt hat.”
“Vielleicht hast du ihr einfach nur wehgetan und sie wollte sich dafür rächen.”
“Toni!” Enricos Blick wurde noch zorniger. Hier ging es doch gar nicht um seine Leistungen im Bett. Er wollte nur wissen, ob die Rose das Symbol einer Gang war, mehr nicht.
“Ja, ja schon gut, Casanova. Ich glaub am alten Bahnhof gibt’s so eine Möchtegerngang, die alte Damen beklaut. Ich glaub die hatte eine Rose als Symbol.” Enrico nahm Toni die Zeichnung aus der Hand und sah sich die Rose noch einmal genauer an. Jetzt wo Toni es erwähnte, erinnerte er sich auch daran, diese Rose mal an den Wänden des alten Bahnhofs gesehen zu haben. Also gehörte Judy zu denen, die dort hausten, oder noch besser: Sie war deren Chefin? Bei ihrem Temperament konnte er sich einfach nicht vorstellen, dass sie weniger war, als ihre Anführerin.
“Ich hab also mit der Chefin einer Gang geschlafen? Cool!” Toni rollte nur mit den Augen bei dieser Bemerkung.
“Wohl kaum. Es ist sicher nur Zufall, dass sie so eine ähnliche Rose … He, wo willst du jetzt wieder hin?”
“Ich geh sie besuchen. Jetzt weiß ich ja wo sie wohnt.” Die Bücher und die Zeichnung packte Enrico samt Bleistift auf seinen Schreibtisch, während er schon aufgestanden war. Er war voller Tatendrang und wollte nicht warten. Er würde ihr schon klar machen, dass sie von ihm und den Wölfen nichts zu befürchten hatte.
“Enrico warte! Du kannst nicht einfach in ihre Gebiet fahren. Die knalln dich ab!”
“Ach was. Du hast doch gesagt die beklauen nur alte Damen. Außerdem kenn ich doch jetzt ihre Chefin!” Noch bevor Toni erneut Einspruch erheben konnte, packte Enrico sich seine beiden Neunmillimeter, die auf seinem Kopfkissen lagen. Sicher war sicher.
“Bis ich wieder da bin, hast du das Kommando!”, mit dieser letzten Anweisung, verließ Enrico sein Zimmer.
“Enrico …!”, hörte er hinter sich Tonis Stimme verhallen. Mal wieder ließ er ihn für eine schöne Frau stehen. Er konnte einfach nicht anders.

Genervt sah Toni Enrico nach. Immer wieder das selbe. Eine Frau lächelte seinen Freund nur an und er war vergessen. Hoffentlich biss er sich an dieser Judy die Zähne aus. Kopfschüttelnd stieg Toni über die Klamottenhaufen und bahnte sich so seinen Weg bis in den Flur. Um das Chaos nicht mehr sehen zu müssen. schlug er die Tür nach sich zu. Kein Wunder das Enrico nie zum Aufräumen kam, er war ja ständig unterwegs. Toni würde jede Wette eingehen, dass er am Abend wieder halb tot nach Hause kam. Entweder von irgendwelchen Drachen, die ihm aufgelauert waren, oder weil er sich die ganze Nacht mit dieser Judy vergnügt hatte. Aber dieses Mal würde er ihm nicht nachfahren, um ihm den Arsch zu retten. Sollte er doch zusehen, wie er ohne seinen Leibwächter zurecht kam. Während er vor sich hingrummelte, lief Toni in den Aufenthaltsraum, mit dem langen Esstisch, zurück. Jetzt wo Enrico ein Lebenszeichen von sich gegeben hatte und Tonis Sorgen um ihn, zumindest für den Moment unbegründet gewesen waren, konnte er auch seinen Hunger nicht länger unterdrücken. Wenn er Glück hatte, gab es noch etwas Essbares.

Als er die große Halle betrat, konnte Toni das Aufheulen von Enricos Motorrad hören. Wieder schüttelte er nur mit dem Kopf. Was für ein Idiot, wegen dieser Judy so einen Aufriss zu machen. Sicher hatte er noch nicht einmal etwas gegessen. Während Toni am Esstisch vorbei in die nahe Küche ging, um nach den Resten zu sehen, folgten ihm die Blicke der anderen. Sicher wollten sie von ihm wissen, wohin Enrico schon wieder verschwunden war. Aber er hatte keine Lust darüber zu sprechen. Mit einem Teller, beladen mit Fleisch und Kartoffeln, kam er zurück und ließ sich auf dem Sessel des Anführers nieder, wie er es immer tat, wenn Enrico weg war. Immer noch lagen alle Blicke auf ihm, aber bei Tonis dunkler Mine und seinem finsteren Blick, traute sich keiner die Frage auszusprechen. Keiner bis auf Anette:
“Wo will er denn schon wieder hin?”
“Er will noch mal die Anführerin der Black Summer flachlegen!”, brummte Toni gereizt und in einem abfälligen Toni. Erschrocken sah Anette ihn daraufhin an. Das Lächeln, dass sonst immer ihre rosaroten Wangen erhellte, verschwand augenblicklich. Hatte er sie etwa mit seinem groben Ton verletzt? Das wollte er nicht. Sofort besann Toni sich, versuchte sich ein Lächeln ins Gesicht zu zwingen, um sich zu entschuldigen, aber Anette war schon aufgestanden. Ihren Stuhl warf sie um, als sie fluchtartig an ihm vorbei rannte. Das Gesicht vergrub sie in den Händen, während ihr Schluchzen durch die Halle schalte. Die schwere Eisentür, die zu dem langen Flur mit den Zimmern führte, zog sie auf und verschwand hinter ihr. Sofort verging Toni sein Hunger. Er konnte es einfach nicht sehen wenn Anette traurig war. Dafür liebte er sie viel zu sehr. Augenblicklich stand er auf und ging ihr mit langsamen Schritten nach. Sicher war sie in ihr Zimmer gerannt. Was musste er auch immer gleich so gereizt reagieren?
Als er dieses erreicht hatte, konnte er sie hinter der geschlossenen Tür wimmern hören. Sollte er wirklich zu ihr gehen? Wenn sie ihn nun gar nicht sehen wollte? Einen Moment zögerte er, dann drückte er die Klinke nach unten und schob die Tür auf.
“He, Anette! Ich … ich wollte dich nicht so anschnauzen. Ich … ich war nur so sauer, weil …”, suchte Toni nach den richtigen Worten, aber Anette unterbrach ihn.
“Es ist nicht deine Schuld!” War es nicht? Was hatte sie dann?
“Nein? Warum weinst du dann?” Anette lag mit dem Gesicht im Kopfkissen, quer über ihr Bett ausgestreckt. Sie sah ihn nicht einmal an. Es tat ihm weh sie so zu sehen. Wenn er doch nur gewusst hätte, wie er ihr helfen konnte. Die wenigen Schritte, die ihn von Anettes Bett trennten, ging er auf sie zu und setzte sich neben sie.
“Es … es ist wegen Enrico. Er … er ist doch mit mir zusammen”, sprudelte es aus ihre heraus, als er ihr seine Hand auf den Rücken legte. Sie hob sogar ihren Kopf und sah ihn mit wilden Augen an. Erschrocken zog er seine Hand zurück und überhörte fast den Sinn ihrer Worte. Sie war mit Enrico zusammen?
“Ach wirklich? Seit wann?”, wollte er verwirrt von ihr wissen. Davon hatte Enrico ihm nichts erzählt.
“Seit er Anführer geworden ist. Wir haben sogar schon miteinander geschlafen … und … und jetzt hat er schon eine Neue. Das ist nicht fair, Toni.” Schluchzend warf Anette sich in seine Arme. Sie weinte so bitterlich, dass ihre Tränen sein Hemd durchweichten und er die Nässe auf seiner Haut spüren konnte, aber dieses Mal berührte es ihn nicht. Finster sah er aus dem Fenster, auf das Tor hinter dem Enrico schon lange verschwunden sein musste. Dieser elende Bastard. Er wusste ganz genau, was Toni für Anette empfand. Er hatte es ihm mehr als einmal gesagt. Immer wieder hatte Enrico ihm versichert, dass er nichts von Anette wollte, dass sie nicht sein Typ sei, während Toni ihm eingeschärft hatte, sie ja in Ruhe zu lassen und ihr nicht mit seiner nur Eine - Nacht - Masche wehzutun. Aber der ach so tolle Casanova hatte es natürlich trotzdem getan. Enrico sollte nur wieder nach Hause kommen, dann konnte er was erleben …
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