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 3. Kapitel ~Das Leben als Amme~

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Enrico
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BeitragThema: 3. Kapitel ~Das Leben als Amme~   3. Kapitel ~Das Leben als Amme~ EmptyDo Jul 25, 2019 5:39 pm

3. Kapitel
~Das Leben als Amme~

Was hat sich der Großfürst nur dabei gedacht? Zu Anfang fand Maria es ja noch ganz lustig, dass dieser verzogene Bengel selbst mal arbeiten sollte, doch nun bleibt die eigentliche Drecksarbeit mal wieder an ihr hängen. Den Jungen zu baden, kommt einem Kampf gleich.
Der Waschraum sieht bereits aus, wie ein Schlachtfeld. Der Boden ist nass, von den Wänden bis hin zur Tür. Schwarze Fußspuren verteilen sich im ganzen Raum, am Rand der Zinkwanne sind überall lange Dreckstreifen zu sehen, die Eric mit seinen Fingern hinterlassen hat. Selbst wenn der Junge endlich sauber ist, ist es der Waschraum noch lange nicht.
Maria stöhnt gequält.
Auf Erics Kopf sitzt eine Schaumkrone, er planscht vergnügt im Wasser und verteilt noch mehr davon im ganzen Raum. Obwohl Maria seine Haare bereits zwei Mal gewaschen und ausgespült hat, kleben noch immer Stroh und Dreck darin. Auch seine rechte Wange und die linke Schulter sind nicht sauber zu bekommen, egal wie viel Seife Maria auch benutzt. Der Großfürst wird sie sicher tadeln, wenn sie den Jungen so im Esszimmer abgibt. Sie versucht es erneut.
„Schau mal Maria, was ich kann!“, jubelt der junge Herr. Er nimmt Maria den Lappen aus der Hand und macht ihn noch einmal ganz nass, dann legt er ihn rund geformt auf die Wasseroberfläche, sodass sich darin eine Luftblase bildet. Die unteren Enden hält er mit beiden Händen fest zusammen und zieht den Lappen unter Wasser. Kleine Blasen steigen auf.
„Ganz toll!“, entgegnet Maria gelangweilt, „Darf ich den Lappen jetzt wieder haben?“
Eric nickt und lässt den Stoff los. Die mit Luft gefüllte Blase schnellt samt Lappen hinauf, raus aus dem Badewasser und Maria direkt ins Gesicht.
Eric lacht vergnügt.
Das junge Mädchen muss mit sich ringen, nicht den Arm zu heben und weit auszuholen. Sie beißt sich auf die Unterlippe und fischt den Lappen aus ihrem Gesicht.
Wie kam ihre Mutter nur auf den dummen Gedanken, dass Amme die richtige Zunft für sie wäre. Sie hasst Kinder, ganz besonders dieses.
Fest packt sie den Lappen mit der Faust, sie seift ihn ordentlich ein und reibt dann grob über die dunklen Stellen in Erics Haut.
Der Junge windet sich unter ihrem Reinigungsversuch. „Maria, du tust mir weh!“, jammert er.
„Ach gebt ruhe! Ihr werdet sonst nicht sauber!“ Immer energischer drückt Maria auf.
„Aua, hör auf! Au!“, schreit der Junge und versucht Marias Hände von sich zu schieben.
Das junge Mädchen packt ihn hart am Arm und hält ihn fest.
So sehr der Junge auch zappelt, er kommt nicht frei.
Ganz langsam gibt der Dreck Marias Bemühungen nach, als Schulter und Gesicht des Kindes endlich sauber sind, ist die Haut knallrot.
In Erics Augen sind dicke Krokodilstränen, die ihm unaufhörlich die Wangen hinab laufen.
Maria sieht ihn streng und mitleidslos an. „Hört auf zu heulen! Wenn ihr euch nicht immer so dreckig machen würdet, wäre das hier nicht nötig.“
Maria taucht eine Porzellankanne ins Wasser, bis sie ganz voll ist und kippt sie dem Jungen über. Die letzten Strohhalme und Dreckklumpen laufen ihm aus den Haaren. Na endlich!
Sie hebt den Jungen unter den Armen aus der Wanne und stellt ihn auf dem nackten Steinboden ab.
Eric schlingt die Arme um den kleinen Körper. Er zittert und reibt sich die Tränen aus den Augen. „Du bist immer so grob zu mir!“, sagt er mit brüchiger Stimme. Um seinen rechten Unterarm ziehen sich vier längliche Streifen, die Abdrücke von Marias Fingern.
Die junge Amme beißt sich auf die Unterlippe. Das dürfen die Herrschaften auf keinen Fall sehen. Sie muss es irgendwie unter der Kleidung verstecken, ebenso wie die feuerrote Schulter.
Von einer der Anrichten holt sie ein Handtuch und trocknet den Knaben damit ab, dann bugsiert sie Eric zu einer anderen Kommode, auf der sie seine Kleidung für den heutigen Tag bereit gelegt hat. Beim Ankleiden achtet sie penibel darauf, dass auch jede rote Stelle unter Stoff verschwunden ist, nur die wunde Wange, kann sie nicht verbergen.
„Ich habe Hunger Maria!", sagt Eric. Sein Magen knurrt.
„Wie könnt ihr Hunger haben? Ihr habt auf dem Weg hier her vier Kekse gegessen", entgegnet Maria. Dieses Kind weiß doch gar nicht was Hunger heißt. Er hat jeden Tag die köstlichsten Speisen auf dem Teller.
Während die hohen Herrschaften nach Essen rufen sobald ihnen danach ist, muss Maria erst all ihre Aufgaben erledigen. Sie hat heute noch keinen Bissen gehabt. Erst wenn der Junge am Tisch sitzt und der Verantwortung der Eltern übergeben ist, wird sie Zeit dazu haben.
„Ich habe trotzdem Hunger!", sagt Eric.
Maria rollt mit den Augen. „Wir sind ja gleich fertig!" Sie dreht das Gesicht des Jungen am Kinn hin und her, doch egal von welcher Seite sie es auch betrachtet, die Wange bleibt auffällig. Vielleicht könnte ja etwas Puder helfen? Maria holt einen Tiegel Creme und die Puderdose. Die rote Wange schmiert sie erst dünn mit der Creme ein und tupft dann Puder mit Watte auf. Tatsächlich verschwindet die wunde Haut unauffällig darunter. Maria atmet auf. Gerade noch mal gut gegangen. „Gut, dann kommt!" Sie nimmt die Hand des Jungen und führt ihn aus dem Waschraum. Noch einmal wirft sie einen kurzen Blick zurück.
Alles voller Schlamm und Wasserpfützen. Aus ihrem Frühstück wird nichts werden, wenn sie den Jungen abgeliefert hat, wird sie hier sauber machen müssen. Wieder kommt Maria ein Seufzer über die Lippen. Sie schließt die Tür und führt das Kind zum Esszimmer.
Kaum haben sie den großen Saal erreicht, reißt sich Eric von ihrer Hand los. Er stürzt zur langen Tafel, auf der geschnittenes Obst und Gemüse, frisch gebackenes Brot, Speck und Eier angerichtet sind. Selbstgemachte Marmeladen und Honig stehen zwischen dem edlen Porzellan und dem silbernen Besteck. Der Großfürst und seine Frau sitzen bereits bei Tisch.
Der Blick des hohen Herrn ist wieder streng. Er sitzt an der Stirnseite und nimmt seinen Jungen in Empfang, der ihm sofort auf den Schoss klettert. „Warum hat das so lange gedauert?", fragt er Maria.
Sie faltet die Hände und senkt den Blick, tief verbeugt sie sich. „Es tut mir leid, aber der junge Herr war nach dem Reinigen des Stalls völlig verdreckt. Es hat seine Zeit gebraucht ihn davon zu befreien." Nur vorsichtig wagt sie ihren Blick zu heben, um die Reaktion des Herrn in dessen Gesicht lesen zu können.
Der Großfürst betrachtet seinen Sohn, dann nickt er verstehen und winkt die Amme mit der Hand weg.
Maria knickst, dann verlässt sie zügig das Esszimmer.
Vor der Tür fasst sie sich ans Herz und atmet auf, sie lehnt sich gegen das Holz im Rücken. Sie kann es nicht leiden wenn der Hausherr daheim ist. Sein strenger Blick macht ihr Angst. Sie hat immer das Gefühl nichts richtig machen zu können, wenn er da ist. Die Großfürstin ist nicht so streng. Aber zumindest ist diese Aufgabe erledigt. Wenn nur nicht der Waschraum noch wäre. Marias Magen knurrt laut. Sie hätte sich jetzt auch gern an den Tisch gesetzt und gefrühstückt, die Äpfel aus dem Garten sahen so verlockend aus und das frischgebackene Brot roch unglaublich gut. Ihr läuft jetzt noch das Wasser im Munde zusammen.
Schweren Herzens löst sie sich von der Tür und geht zurück in den Waschraum.

...~*~...

Auf Papas Schoss sitzt es sich noch immer am besten. Das er zum Frühstück hier ist, ist viel zu lange her.
„Du könntest eigentlich langsam auf deinem eigenen Stuhl sitzen!", sagt Vater, sein strenger Blick lastet schwer auf mir.
Mutter legt ihm ihre Hand auf den Oberschenkel. Sie lächelt beschwichtigend. „Jetzt lass ihn doch. Du bist so lange weg gewesen. Genies die Zeit mit deinem Sohn. Wer weiß, wann du ihn wieder siehst."
Vater lächelt sie an. „Du hast wie immer Recht, meine Liebe!", sagt er und legt seine Hand um ihre Wange. Er küsst sie.
Ich betrachte die große Auswahl an Speisen. Eine Schüssel mit Pudding und Beeren erregt meine Aufmerksamkeit. Das sieht lecker aus, darauf habe ich Appetit, wenn die Schüssel nur nicht so weit weg stehen würde. Ich lehne mich mit dem ganzen Oberkörper nach vorn, meinen Arm strecke ich weit aus und kann sie trotzdem nicht erreichen.
Mutter sieht meinen Bemühungen einem Moment zu, dann greift sie nach der Schüssel, doch noch bevor ihre Hand sie erreicht, wird ihr Blick sorgenvoll. Sie lässt den Pudding an seinem Platz und greift stattdessen in den Kragen meines Hemdes. Sie schiebt ihn von meiner Schulter. „Die ist ja ganz rot, bist du gestürzt Eric?", fragt sie mich.
Ich antworte nicht, sondern lehne mich weiter nach vorn. Diese Schüssel muss doch zu bekommen sein. Als ich sie endlich mit den Fingerspitzen erreicht habe, nimmt Mutter meinen Arm. Sie schiebt den Ärmel, der bereits ein Stück nach hinten gerutscht ist, von meinem Arm und sieht ihn sich an. Deutlich sind die roten Fingerabdrücke Marias zu sehen.
„Wie ist das passiert!", fragt sie ernst.
Ich habe noch immer Hunger und betrachte sehnsüchtig die Schüssel, doch da Mutter meine Hand festhält, komme ich wohl um eine Antwort nicht herum: „Maria hat mich ganz doll geschrubbt, weil ich so dreckig war. Das hat wehgetan, ich wollte dass sie aufhört, da hat sie mich festgehalten."
Mutter und Vater tauschen fragende Blicke.
„Ich sag doch, dieses Mädchen ist unfähig!", sagt Vater.
„Nun, sie ist noch sehr jung, aber das geht wirklich zu weit."
Vater richtet seinen Blick auf einen Mann, der ganz am Rande des Raumes neben der Tür steht. Seine Worte richtet er an ihn: „Hol mir den Koch und die Köchin!"
Der Mann nickt, dann verlässt er das Esszimmer.
Mutter gibt meine Hand endlich frei. Ihr Blick haftet besorgt auf mir, sie greift nach der Schüssel mit Pudding und reicht sie mir.
„Ja!", juble ich und greife den kleinen Löffel von Vaters Besteck. Schnell ist er im Pudding vergraben, um gleich darauf in meinem Mund zu verschwinden. Der süße Geschmack ist wundervoll, die Beeren einfach nur lecker. Schnell schaufle ich zwei weitere Löffel nach.
Einige Minuten später, öffnet sich die große Flügeltür. Monika und ihr Mann kommen herein. Sie knicksen höflich, dann fragt Monika: „Ihr habt nach uns schicken lassen? Ist etwas mit dem Frühstück nicht in Ordnung?"
Mein Vater holt Luft für eine Antwort, doch Mutter kommt ihm zuvor. Sie winkt das Ehepaar an den Tisch heran und nimmt meinen Arm. „Kommt her, seht euch das bitte an."
Die Köchin und der Koch setzen sich in Bewegung, sie kommen um den Tisch herum.
Mutter schiebt den Ärmel meines Hemdes zurück, bis die langen Striegel zum Vorschein kommen.
Monika betrachtet sie.
Mutter zeigt ihr auch meine Schulter.
„Himmel, was ist denn da passiert?", fragt Monika sichtlich aufgewühlt.
„Eure Tochter!", sagt mein Vater ernst.
Koch und Köchin heben den Blick und sehen Vater entsetzt an.
„Als ich sagte ihr sollt ihn nicht mit Samthandschuhen anfassen, habe ich nicht gemeint, ihr sollt ihn misshandeln!“, schnauzt Vater weiter. „Wer Hand an meinen Sohn legt, der hat Straffe verdient!“ Ganz besonders eindringlich sieht Vater den Koch an.
Dieser nickt eifrig. „Ja, natürlich!“, sagt er rasch.
„Das tut mir aufrichtig leid. Maria ist ein gutes Kind, sie muss einfach noch viel lernen“, sagt Monika.
„Das mag sein, aber nicht an meinem Sohn. Sobald wir einen Ersatz gefunden haben, wird sie sich nach einer anderen Stellung umsehen müssen“, sagt Vater.
Mutter sieht ihn mahnend an, wird aber von ihm ignoriert.
Monika faltet die Hände ineinander. „Hoher Herr ich bitte euch. Sie wird es besser machen, dafür sorgen wir.“ Immer wieder tauscht sie Blicke mit meiner Mutter.
Schließlich ergreift Mama das Wort: „Das ist Marias aller letzte Chance. Noch ein Zwischenfall und sie wird dieses Hauses verlassen müssen.“
„Vielen Dank Herrin!“, sagen Monika und ihr Mann im selben Moment. Koch und Köchin verbeugen sich rasch, dann verlassen sie das Esszimmer.
„Gilt mein Wort hier eigentlich gar nichts mehr?“, fragt Vater Mutter, er schaut ärgerlich.
Mutter zuckt mit den Schultern. „Ich muss mit dem Dienstpersonal klar kommen, wenn du wieder weg bist, nicht du.“
„Ich muss dieses verfluchten Krieg endlich beenden, um wieder der Hausherr hier sein zu können, der eindeutig fehlt!“, brummt Vater in sich hinein.
Ich erhebe meine leere Schüssel und rufe laut: „Mehr!“

...~*~...

Endlich geschafft! Maria sieht sich im Waschraum um. Der Boden ist sauber, die Wanne geschrubbt. Sie wischt sich den Schweiß von der Stirn. Das war anstrengend gewesen.
Maria wirft einen Blick hinaus aus dem Fenster. Die Sonne ist noch nicht über den Apfelbaum im Garten gezogen. Die Herrschaften essen meist bis die Sonne über ihm steht. Vielleicht schafft sie es ja noch schnell etwas zu essen. Den Lappen wirft sie in den Eimer, mit dem dreckigen Wasser, dann nimmt sie ihn am Henkel und verlässt den Waschraum.
„Maria! Maria! Wo steckst du?“, hört sie in der Ferne des langen Flures, die Stimme der Mutter.
Na großartig. Sicher hat sie bereits eine neue Aufgabe für sie. Aus dem Essen wird wohl nichts werden, dabei knurrt ihr Magen schrecklich. Maria hält sich den Bauch. Ihr ist schon ganz schlecht davon. Aber es hilft alles nichts. Wenn sie ihre Mutter warten lässt, verteilt diese nur noch mehr Aufgaben.
Maria setzt sich in Bewegung, sie geht der Stimme der Mutter nach. „Ich bin hier!“, ruft sie.
Aus dem Schatten des Flures lösen sich gleich zwei Gestalten. Neben ihrer Mutter läuft ihr Vater, beide haben tiefe Sorgenfalten im Gesicht. Als sich ihre Blicke mit dem Marias treffen, schauen sie noch verbissener.
„Hab ich was falsch gemacht?“, fragt Maria und bleibt stehen.
Ihr Vater beschleunigt seine Schritte, als er sie erreicht, nimmt er ihr den Eimer aus der Hand und stellt ihn klangvoll auf dem Boden ab. Fest packt er Marias Handgelenk und schaut sie bedrohlich von oben herab an. „Was fällt dir ein, den jungen Herrn zu verletzen?“, schreit er so laut, dass es ihr in den Ohren schmerzt.
Maria erschaudert. Sie hat sich doch so große Mühe gegeben, dieses Versehen zu verstecken. Warum nur müssen die Herrschaften immer alles bemerken? Ängstlich blickt sie in das verärgerte Gesicht des Vaters.
„Der Großfürst hat angeordnet dich hart zu bestrafen und er hat verdammt recht damit. Du hast es nur der Güte der Großfürstin zu verdanken, dass du deine Stelle noch nicht verloren hast. Du dummes Ding. Los komm mit!“ Am Arm zieht ihr Vater sie mit sich.
Maria ahnt bereits, dass ihr der Teppichklopfer droht, wenn sie Pech hat auch noch der Gürtel. Sie stemmt sich gegen den Griff des Vaters. „Papa, bitte es war ein Versehen! Der junge Herr war doch so schmutzig, ich habe ihn nicht anders ...“
„Sei still! Ich will deine Ausflüchte nicht hören. Ständig hat man nur Ärger mit dir. Wir haben uns den Arsch aufgerissen, dass du trotz deines jungen Alters, eine so gute Stellung bekommst und was tust du? Du gibst dir gar keine Mühe.“
„Das stimmt nicht!“, ruft Maria, doch ihr Vater zerrt sie unbarmherzig weiter.
„Rein da!“, sagt er, als sie vor der Tür ihres Schlafgemachs stehen.
Maria zögert, hilfesuchend sieht sie zur Mutter.
Monika bleibt hinter ihnen stehen, sie hält ihr Häubchen in der Hand und knetet es. „Alfred, sei nicht so streng!“, sagt sie.
„Du wartest draußen!“, sagt der Vater und öffnet die Tür. Er stößt Maria in den Raum und tritt nach ihr ein. Hart schlägt er die Tür wieder zu.
Maria zittert am ganzen Körper. Sie wagt den Blick nicht mehr zu erheben. Scheu sieht sie dem Vater zu, wie er den Gürtel aus seiner Hose löst.
„Über den Stuhl!“, sagt er und deutet mit ausgestrecktem Arm auf einen Holzstuhl, der vor einem kleinen Tisch steht.
Der strenge Blick des Vaters lässt ihre keine Wahl, gehorsam geht sie zum Stuhl und bleibt hinter der Lehne stehen. Diese Strafe kennt sie bereits viel zu gut. Sicher wird sie wieder eine Woche nicht sitzen können, vielleicht auch länger. Tränen steigen ihr in die Augen. Als sie sich über die Stuhllehne beugt und die Hände auf die Sitzfläche legt, laufen sie ihr über die Wangen.
Die Schritte des Vaters sind deutlich hinter ihr zu hören, sein Schatten legt sich über sie. Im Augenwinkel kann sie ihn mit dem Gürtel in der Hand ausholen sehen.
Maria schließt die Augen.
Mit einem lauten Knall, trifft das Leder ihren Hintern. Ein Feuer zieht sich über ihre Haut. Sie beißt sich fest auf die Unterlippe.
Erneut schlägt der Vater zu, noch härter als zuvor.
Maria fühlt, wie die Haut anschwillt, und immer dicker wird, sie ballt die Hände zu Fäusten und krallt ihre Fingernägel in das Holz des Stuhls.
Wieder und wieder kann sie das harte Leder spüren. Die Haut platzt trotz ihres Rocks und des Unterkleides auf. Sie brüllt ihren Schmerz gegen die Lehne. Heiß fallen ihre Tränen auf ihre geballten Fäuste.
Der Gürtel trifft dieselbe Stelle noch zwei Mal. Das ist zu viel für das junge Mädchen. Sie richtet sich auf. Ihre Pobacken und Beine zittern, sie hält die Hände über ihr Gesäß. „Bitte Papa, hör auf!“, fleht sie.
Anstatt den Po trifft der Gürtel nun ihren Rücken. Sie spürt, wie sich ein langer Striemen quer von einer zur anderen Seite ausbreitet und auch über ihre Oberarme zieht. Mit den Händen reibt sie über die wunde Haut und verteilt den Schmerz. Mehr und mehr Tränen laufen ihr über die Wangen.
Der Vater kennt kein Erbarmen.
Sie spürt immer neue Schläge auf ihrem Rücken, auf dem Po. Beide Arme schlingt sie um den Körper und macht sich ganz klein.
Die Tür wird geöffnet. Mit eiligen Schritten hält Monika auf sie und Vater zu. „Alfred das reicht!“, sagt sie und hält ihren Mann am Arm fest. „Siehst du nicht, dass das Kind schon am ganzen Körper zittert?“
Maria wimmert leise, sie lässt die Tränen laufen und wendet sich verschämt von ihren Eltern ab.
Alfred nimmt den Arm runter, er lässt den Gürtel bis zum Boden sinken, dann sagt er: „Ich hoffe das ist dir in Zukunft eine Lehre!“
Maria antwortet nicht. Sie richtet ihren Blick auf den kahlen Steinboden. Ihr Körper fühlt sich an, wie in Feuer getaucht.
Die Schritte ihres Vaters entfernen sich.
Maria sieht ihm nicht nach. Warum nur, kann sie einfach nichts richtig machen?
Ihre Mutter kommt um sie herum, sie nimmt Maria sacht in eine Umarmung und streichelt ihr durch das Haar. „Du wirst es noch lernen“, sagt sie.
Maria will es gar nicht lernen, Kinder hüten ist einfach nichts für sie, doch ihre Mutter hat das nie hören wollen. Maria lehnt sich mit dem Kopf an den Busen Monikas und heult hemmungslos. Immer wieder muss sie schluchzen und die Nase hochziehen.
Sanft streichelt Monika ihre Tochter, bis Maria sich beruhigt hat.
Langsam hebt das Mädchen den Blick und wischt sich die Tränen aus den Augen.
„Komm, wir kühlen die Striemen und machen eine Kräutersalbe“, sagt Monika und nimmt die Tochter an die Hand.
Maria nickt und wischt sich eine übrig gebliebene Träne von der Wange.

Wenig später sind beide in der Küche.
Maria hat ihre Schürze ausgezogen und auch das Oberteil darunter, nur um den Busen hält sie es noch fest. Ihr Unterrock hängt über dem Tisch. Sie sitzt auf einem nassen Lappen, auf dem kleinen Schemel und hat den Rock über ihn gestülpt, damit er ihre Scham verbirgt. Der kalte Stoff, an ihrem Po, tut unendlich gut, auch wenn das Sitzen auf der wunden Haut unangenehm ist. Den blanken Rücken hat sie der Mutter zugewandt. Etliche tiefrote Striemen ziehen sich darüber, an einigen Stellen ist die Haut aufgesprungen und blutet.
Ganz zaghaft tupft die Mutter Salbe aus einem Mörser auf.
Bei jeder Berührung verzieht Maria das Gesicht, ihr kommen schon wieder die Tränen.
„Was ist denn genau passiert?“, fragt Monika.
Maria atmet aus, sie hat nicht damit gerechnet, dass die Mutter auch ihre Version der Geschichte hören möchte. Ob sie ihr glauben wird? „Eric war doch so schmutzig, nachdem er den Stall ausgemistet hat. Ich glaube eher er hat nur mit dem Mist gespielt, als wirklich etwas herauszuschaufeln.“ Dunkel blickt Maria vor sich hin. Immer wenn sie an dieses Kind denken muss, bekommt sie ungeheure Wut im Bauch.
„Und weiter?“, fragt die Mutter.
Maria unterbricht sich in ihren düsteren Gedanken und fährt fort: „Ich habe ihn in die Zinkwanne gesetzte und versucht den Dreck abzuwaschen, aber er war schon ganz verkrustet. Ich habe ihn einfach nicht abbekommen. Was hätte ich denn machen sollen? Wenn ich ihn dreckig zum Esszimmer geschafft hätte, hätte ich auch Ärger bekommen.“
„Warum kommst du denn nicht zu mir, wenn du mit einer Aufgabe überfordert bist?“
Maria senkt verschämt den Blick. „Ich bin doch schon fast erwachsen, ich muss das auch allein schaffen.“
Die Mutter kommt um sie herum, sie geht vor ihr in die Hocke und legt ihre Hände auf die der Tochter. „Du musst noch so viel lernen. Du kannst nicht schon alles Wissen und Amme ist ein wirklich schwieriger Beruf.“
Maria überkommen neue Tränen. Ihr fallen all die Momente mit Eric ein, bei denen sie einfach nicht wusste, was sie tun sollte. Als er auf den Apfelbaum geklettert ist und nicht herunterkommen wollte, oder wenn er beim Spielen einfach wegläuft und sie ihn ewig nicht finden kann. Er macht nie was man ihm sagt und heckt immer neue Streiche aus. Selbst wenn sie sich ganz sicher ist, dass er tief und fest schläft, findet sie ihn, mitten in der Nacht, in der Küche. „Diese Arbeit ist nichts für mich Mama!“
Der Blick der Mutter wird ganz sanft, sie legt ihre Hand um Marias Wange und wischt ihr mit dem Daumen die Tränen weg. „Ach was, du schlägst dich gut!“
„Nein Mama! Ich mag keine Kinder und ich mag auch den jungen Herrn nicht!“, sagt Maria energischer.
Monika wird auf einmal ganz streng, die Hand nimmt sie von Marias Wange und richtet sich auf. „Der junge Herr ist ein gutes Kind. Ich will nicht hören, dass du so über ihn sprichst. Du weißt ja gar nicht, wie gut du es hast. Um diese Gelegenheit würde dich jedes Mädchen im Dorf beneiden“, sagt sie und geht um den Stuhl herum. Sie beginnt wieder sich um Marias Verletzungen zu kümmern, doch dieses Mal ist sie nicht mehr so vorsichtig.
Das Mädchen zuckt unter ihren Berührungen zusammen und beißt sich auf die Unterlippe. „Ich wäre aber lieber eine Schneiderin!“, sagt Maria kleinlaut. Sie mag es an der Nähmaschine zu sitzen und aus alten Stoffresten und kaputter Kleidung, etwas ganz neues zu erschaffen. Warum kann sie nicht lieber dieses Handwerk erlernen?
„Unsinn! Damit musst du dir deinen Lebensunterhalt ja fast schon erbetteln. Wenn du aber ein gutes Zeugnis vom Hause Sonnenburg bekommst, dann kannst du überall Arbeit finden. Jeder wird eine Amme nehmen, die im Hochadel gelernt hat. Wenn du es hier schaffst, dann wirst du es überall zu etwas bringen, selbst wenn du mal von hier fortgehen möchtest.“
Von hier fort gehen? Dieser Gedanke beginnt Maria zu gefallen. Vielleicht hat die Mutter ja Recht, wenn sie nur lange genug durchhält und die Herrschaften zufrieden stellt, dann kann sie irgendwann mit einem guten Zeugnis von hier verschwinden. Aber als Amme wird sie dann auf gar keinen Fall arbeiten, dass nimmt sie sich ganz fest vor.
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