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 2. Kapitel ~Morgens nach Sonnenaufgang~

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Enrico
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BeitragThema: 2. Kapitel ~Morgens nach Sonnenaufgang~   2. Kapitel ~Morgens nach Sonnenaufgang~ EmptyDo Jul 25, 2019 5:03 am

2. Kapitel
~Morgens nach Sonnenaufgang~

Mit den ersten Sonnenstrahlen bin ich wieder hell wach. Sofort ist mir klar, heute ist mein Geburtstag und alle werden ganz besonders bemüht sein, dass es ein schöner Tag wird. Was es wohl leckeres zum Frühstück gibt? Ob Monika eine große Geburtstagstorte für mich backt? Unsere Köchin kann so leckere Sachen machen. Sicher steht sie auch jetzt schon in der Küche, um alles vorzubereiten. Ihr sollte ich als Erstes einen Besuch abstatten. Wenn ich Glück habe, gibt es noch eine Schüssel mit Kuchenteig zum Auslecken, oder Sahne zum Naschen.
Ich schäle mich aus meiner Bettdecke und rutsche an die Kante des Bettes. Es ist so hoch, dass ich selbst im Sitzen nicht den Boden mit den Füßen erreichen kann, ich muss vom Laken rutschen. Der Steinboden ist kalt, doch ich nehme mir nicht die Zeit nach meinen Pantoffeln zu suchen. Auch mich anzukleiden halte ich für unnötig. Maria ist sowieso noch nicht wach, um mir dabei zu helfen und allein habe ich es noch nie probiert. Also laufe ich in meinem Nachtgewand zur Tür. Ich muss mich auf die Zehenspitzen stellen, um die Klinke erreichen zu können.
Mit einem lauten Knarren öffnet sie sich. Ich blicke verstohlen in den Gang davor. Einmal nach rechts, dann nach links. Es ist still, keine Schritte sind zu hören. Die Tür gleich neben meinem Zimmer ist noch geschlossen. Wie erwartet schläft Maria noch. Sie ist selten vor mir wach. Meistens muss ich nach nebenan gehen und ihr die Bettdecke wegziehen, doch heute habe ich andere Pläne.
Leichtfüßig laufe ich los, durch den Gang hinein in die große Halle, durch weitere Flure und Korridore zu einer Treppe, die nach unten führt.
Schon auf der obersten Stufe kann ich das Klappern von Geschirr und die Stimmen vieler Menschen hören. Der Duft von gebratenem Fleisch und Speck liegt in der Luft und mischt sich mit süßen Aromen, die ich prompt als Kekse interpretieren kann.
Das wird mein Frühstück für heute sein, beschließe ich und steige die restlichen Treppen hinab. Der Gang ist dunkel und wird immer enger. An seinem Ende ist eine alte Holztür, die von Würmern durchlöchert wurde. Eine schwere Eisenklinke versperrt mir noch den Weg zu der süßen Köstlichkeit. Ich muss wieder auf Zehenspitzen stehen, um die Klinke zu erreichen und mich mit meinem ganzen Gewischt an sie hängen, um sie zu öffnen.
Das Stimmengewirr wird lauter. Die unterschiedlichsten Düfte kommen mir geballt entgegen. Da ist Zimt und Zitrone, Minze und Schokolade, Fleisch und Rauchwurst und so vieles mehr, das ich nicht einordnen kann.
Ich schiebe die Tür ganz auf.
Eine geräumige Küche kommt zum Vorschein. Im großen Offen lodert ein Feuer, darauf stehen Töpfe und Pfannen. Aus dem Backofen kommen Rauchschwaden.
In der Mitte des Raumes steht ein großer Tisch, auf dem bereits Zutaten wie Fleisch, Zucker, Mehl und Gemüse liegen. Fünf Frauen und zwei Männer stehen dort, vier weiter Frauen verteilen sich im restlichen Raum. Eine bringt gerade einen Korb mit frischen Eiern herein, eine Andere ist mit den Töpfen auf dem Offen beschäftigt. Die übrigen Zwei rupfen jede ein Huhn.
Ein Junge von zehn Jahren kommt mit einem Korb unter dem Arm herein, in ihm ist frisches Gemüse, aus unserem Garten. Er trägt es zu einer rundlichen Frau, die in mitten des ganzen Tumultes steht.
Unsere Köchin Monika. Ihr Bauch scheint mir seit gestern noch einmal gewachsen zu sein. Unter ihrer weißen Schürzte, kann sie ihn nicht mehr verstecken. Mutter hat mir gesagt, dass sie darin ein Kind trägt. Manchmal habe ich schon gespürt, wie es tritt.
Monika hat sich heute einen Stuhl genommen, auf dem sie vor der Tischplatte sitzt, das tut sie in letzter Zeit häufiger. Ihr lockiges Haar hat sie mit einer Schleife zurückgebunden, auf ihrem Kopf sitzt ein Häubchen.
Sie nimmt dem Jungen den Korb ab und stellt ihn auf den Tisch. „Danke, das hast du gut gemacht, Peter. Nun geh Iden im Stall zur Hand. Er wird heute deine Hilfe brauchen, wenn die hohen Herrschaften mit ihren ganzen Pferden kommen.“ Ihr Lächeln ist liebevoll und sanft. Sie ist mir die liebste von all unseren Angestellten.
Peter ist ihr Sohn und für mich ein treuer Spielkammerrad, zumindest wenn er nicht gerade irgendeine Aufgabe erledigen muss.
Ich laufe auf die Beiden zu. „Guten Morgen!“, rufe ich.
Von einem Moment auf den anderen wird es still in der Küche. Alle Angestellten unterbrechen ihr Tun. Sie drehen sich nach mir um. Die Männer nehmen ihre Kochmützen ab, und senken den Blick, die Frauen knicksen. „Guten Morgen junger Herr! Alles Gute zum Geburtstag!“, rufen sie wie in einem Chor.
Nur Monika bleibt stumm. Sie schaut mich streng an, als sie fragt: „Eric, ihr müsstet um diese Zeit aber noch schlafen. Wo ist den Maria, sie soll doch ein Auge auf euch haben. Ihr seid ja sogar noch im Schlafgewand. Das gehört sich nicht!“
Ich lasse mich von den Worten der Köchin nicht abschrecken und klettere auf ihren Schoß. Sie nimmt mich unter den Armen und hilft mir dabei. „Ich glaube Maria schläft noch, aber ich bin hell wach. Was gibt es zum Frühstück?“, frage ich.
Monika schüttelt mit dem Kopf, leise, mehr zu sich selbst, sagt sie: „Immer dasselbe mit diesem Mädchen. Sie will wohl gar nicht erwachsen werden. Mit ihr hat man schon sein Los!“
Monikas Blick geht durch die Küche, in der sich noch immer keiner der Angestellten rührt. „Hey kommt mal wieder in die Gänge, der Braten brennt gleich an und die Hühner rupfen sich auch nicht von allein.“ Ihr Blick fällt auf Peter. „Und du solltest längst im Stall sein!“
Peter sieht noch einmal zu mir. Er lächelt mich an und ich ihn.
„Ich komme auch gleich raus!“, sage ich.
Peter nickt, dann läuft er davon.
„Kommt nicht in Frage! Ihr werdet euch ankleiden lassen und dann mit euren Eltern speisen.“
Enttäuscht betrachte ich das Essen auf dem Tisch. Da ist die unterste Ebene einer großen Torte, die von einem der Köche gerade mit Sahne verziert wird. Ein ganzes Blech mit runden Schokoladenkeksen ist in greifbarer Nähe. Würste und frisches Brot, stehen dazwischen. In der Pfanne braten bereits Eier und Speck, ich kann es riechen. Wie soll ich da noch warten, bis meine Eltern und Maria wach sind? „Aber ich esse doch immer das Frühstück bei euch mit!“, protestiere ich.
„Ja, weil ihr immer vor eurer Amme wach seid und die Herrin eine Langschläferin ist. Aber heute ist eurer Ehrentag, außerdem ist euer Herr Vater anwesenden. Wollt ihr denn nicht mit ihm zusammen speisen?“
Das ist ein wirklich guter Einwand. „Na gut, aber einen Keks will ich haben!“ Ich beuge mich auf den Tisch nach vorn und angle einen der Kekse vom Blech. Dann kommt mir der Gedanke, dass ich ja mit Peter spielen will, also nehme ich mir besser zwei Kekse.
Als ich einen zweiten greife, hält Monika meine Hand fest.
„Einer reicht, ihr verderbt euch noch den Appetit!“, sagt sie.
„Der ist nicht für mich, sondern für Peter!“, sage ich.
Die Köchin lächelt. „Na gut! Aber haltet ihn nicht wieder von seiner Arbeit ab. Er hat heute viel zu tun.“ Monika nimmt mich unter den Armen, sie hebt mich von ihrem Schoß und setzt mich neben sich ab.
Ich lächle und nicke. „Ja, ist gut. Wir spielen nur, bis Maria wach ist.“
„Ich werde sie gleich wecken gehen, also bleibt beim Stall!“
„Ist gut!“, entgegne ich und laufe auf eine große Öffnung im Mauerwerk zu. Sie führt direkt ins Freie. Auf halben Wege schaue ich noch einmal zurück.
Neben der Köchin steht nun ihr Mann, der zuvor die Torte verziert hat. Er legt seine Hand auf Monikas Schulter und sieht mich prüfend an. „Er hat nicht mal Schuhe an!“, sagt er streng.
„Willst du sie ihm anziehen?“, fragt Monika, mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen.
„Gott bewahre! Eine dreistöckige Torte zu backen ist einfacher.“
Sie lächeln beide, dann gibt der Koch der Köchin einen Kuss.
Ich schüttle mich. Das ist nichts für mich, erwachsene die herumknutschen. Da geh ich lieber zu Peter in den Stall.
Eilig haste ich über die Backsteine des Bodens zur anderen Seite des Hofes unser Burg. Je näher ich ihm komme, umso deutlicher riecht es nach dem Mist der Pferde.
Schon von weitem kann ich Peter sehen, er hat eine Heugabel in der Hand, die viel zu groß für ihn ist. Neben ihm steht eine Schubkarre, in der er schon einen beachtlichen Heuhaufen aufgetürmt hat. Gerade wirft er eine weitere Ladung hinein.
Ich bleibe vor ihm stehen und reiche ihm einen der beiden Kekse. „Hier!“, sage ich.
Peter zögert ihn zu nehmen. „Darf ich den wirklich haben? Mama hat gesagt ich bekomme erst was, wenn ich mit meiner Arbeit fertig bin.“
„Sie hat erlaubt, dass ich einen für dich mitnehme, also nimm schon.“ Mit dem Keks in der Hand wedle ich vor ihm herum, schließlich greift er zu.
Obwohl seine Finger ganz dreckig sind, schiebt er sich den Keks damit in den Mund.
Ich tue es ihm gleich und frage mit vollen Backen: „Musst du heute den ganzen Stall ausmisten?“
„Ja junger Herr. Damit es die Pferde euer Gäste sauber haben.“
Ich nicke verstehend und schlucke den letzten Bissen herunter.
Langsam laufe ich weiter, hinein in den Stall. Es ist nur noch ein Pferd hier. Der schwarze Hengst meines Vaters. Den sehe ich so selten wie ihn, dabei ist er das schönste Pferd von allen. Ich will ihn mir aus der Nähe ansehen, als mich Peter am Arm festhält.
Sein Blick ist auf meine nackten Füße gerichtet: „Junger Herr nicht! Eure Füße werden ganz dreckig werden. Ich bin noch lange nicht fertig!“
Ich winke ab. „Ach das macht nichts, deine Schwester wird sie mir einfach wieder sauber waschen!“
„Na wenn ihr meint!“ Peter lässt mich los.
Ich laufe weiter. Das Stroh sticht zwischen meinen Zehen, jeder meiner Schritte gluckst, während sich der Mist an meinen Fußsohlen festsaugt. Ich hinterlasse braune Spuren auf dem Stroh. Das sieht lustig aus. Ich mache noch ein paar zusätzliche Schritte, um ein besonders schönes Muster zu erzeugen, dann habe ich das Pferd meines Vaters erreicht.
Der Hengst dreht den Kopf zu mir, er senkt ihn auf meine Höhe herab, seine Ohren richten sich auf mich aus. Das schwarze Fell ist ganz glatt und glänzt im Licht der Morgensonne.
Ich streichle ihm den Kopf. „Hallo Henri. Du bist bestimmt auch froh, wieder zu Hause zu sein. Hast du viele Abenteuer mit Papa erlebt?“
Wie als wolle es Antworten, wiehert das Pferd und schüttelt sich die Mähne. Seinen Kopf drück es gegen meine Hand.
„Du bist so hübsch. Wenn ich groß bin, will ich auch mal so einen Hengst wie dich haben.“
Peter kommt zu uns, auf seiner Stirn bilden sich tiefe Sorgenfalten. „Oh je, Henri habe ich vorhin ganz vergessen. Den muss ja auch noch auf die Weide bringen, wenn ich hier sauber machen will.“
„Das kann ich doch machen!“, sage ich. Schnell hole ich mir einen der Futtereimer und stelle ihn umgedreht neben Henri auf.
„Aber junger Herr, das Pferd ist doch gar nicht gesattelt!“
„Ich reite unsere anderen Pferde doch auch ohne Sattel!“, entgegne ich und lege die Hände auf den Rücken des Pferdes.
Peter macht einen Schritt auf mich zu, er sieht mich zweifelnd an. „Ja, aber Henri habt ihr noch nie geritten. Das Tier kennt euch nicht.“
Ich lächle breit, während ich Henri die Flanke streichle. „Ach was, Henri ist genau so lieb, wie all unsere anderen Pferde auch. Der wirft mich nicht ab!“ Ich drücke mein Körpergewicht auf meine Arme und schwinge meine Beine über den Rücken des Pferdes. Es schaut über die Schulter auf mich zurück. Ganz brav hält es still, bis ich mich gesetzt habe. „Siehst du!“, sage ich und greife in die Mähne des Tieres, meine Schenkel presse ich gegen seine Flanke.
Peter hat den Mund offen stehen. Er brauch einen Moment bis er wieder sprechen kann: „Wie macht ihr das nur? Nicht mal der Knecht reitet den.“
„Ja, weil er es noch nie versucht hat.“ Ich fahre Henri über den Hals und klopfe ihm leicht auf die Brust. „Du bist ein ganz liebes Pferd, nun lauf! Auf unserer Weide gibt es ganz saftiges Gras, das ist viel besser, als immer nur Heu und Hafer in den Tavernen!“
Ich dirigiere den Hengst mit meinen Füßen und an der Mähne. Er setzt sich in Bewegung und trabt ganz langsam los.
Wenn wir nur erst im Freien sind, dann werde ich ihn rennen lassen. Alle Knechte sagen immer, Henri wäre das schnellste Pferd in ganz Sonnenburg, dass muss ich einfach ausprobieren. Ob er auch schneller ist als Schneeflocke? Der schneeweiße Araber ist sonst immer meine erste Wahl, weil er so hoch springen und schnell rennen kann, dass es im Wald kein Hindernis mehr gibt. Ob Henri das auch schafft? Bisher habe ich ihn noch nie reiten dürfen. Vater hat es immer verboten, aber er ist ja nicht hier. Außerdem ist heute mein Geburtstag, da darf Vater mir sowieso keinen Wunsch abschlagen.
Ich bin so gespannt, das ich Henri antreibe schneller zu laufen. Wir passieren das Stalltor.
Aus der Küche kommen Monika und ihr ihre Tochter. Maria reibt sich verschlafen die Augen, ihre Haare stehen in allen Himmelsrichtungen weg. Sie hat sich noch nicht umgezogen, das Leinenkleid hängt ihr faltig vom Körper.
„Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du vor dem jungen Herr wach sein musst!“, schimpft Monika. Mit dem linken Arm in die Seite gestemmt, tadelt sie ihre Tochter mit ausgestrecktem Zeigefinger.
Maria schaut unter ihrem strengen Blick hinweg, sie sieht zu mir und Henri. Ihre Augen weiten sich, die Farbe weicht aus ihrem Gesicht.
Auch Monika wendet sich nun mir zu. „Ach du meine Güte!“, sagt sie und hebt die Hände vor den Mund.
Ich winke ihnen und lasse sie wissen: „Ich bringe Henri nur schnell auf die Weide. Bin gleich zurück!“ Den Kopf des Pferdes ziehe ich an der Mähne in die Richtung, in die es laufen soll und drücke meine Beine gegen seine Flanke, doch es dreht den Kopf in die andre Richtung. Seine Ohren sind ganz aufmerksam, aber nicht auf mich.
Das erschrickt mich. Was sieht es denn, das es meinen Befehl ignoriert?
Obwohl ich es nach links lenken will, läuft es nach rechts. Geradewegs hält es auf einen runden Torbogen zu, in dessen Schatten sich eine Gestalt befindet. Je näher wir ihr kommen, umso deutlicher erkenne ich die langen schwarzen Haare und die muskulöse Gestalt.
Vater hat die Arme vor der Brust verschränkt, sein Blick ist streng. Geduldig wartet er, bis wir ihn erreicht haben.
Ich ziehe einen Schmollmund und sehe ihn grimmig an. „Das ist gemein Papa. Wenn du da stehst, hört Henri nicht auf mich!“
Das Pferd bleibt direkt vor meinem Vater stehen und präsentiert ihm seinen Rücken, als wolle es mich direkt bei seinem Herren abliefern.
Vater nimmt mich unter den Armen, er hebt mich vom Rücken des Tieres. „Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du mein Pferd nicht anzurühren hast? Henri ist ein Destrier und kein Spielzeug.“
„Aber ...“
„Kein aber, wenn sich dieses Pferd ein Bein bricht, bin ich auf dem Schlachtfeld geliefert. Willst du das?“
Ich senke schuldbewusst den Blick. Das ist es natürlich nicht, was ich will. „Nein!“, sage ich.
„Du hast genug andere Pferde, mit denen du reiten kannst!“, fährt Vater im selben strengen Tonfall fort.
„Ich wollte gar nicht ausreiten. Ich wollte ihn nur auf die Weide bringen, damit Peter den Stall ausmisten kann.“
Vaters Blick richtet sich erst auf Peter, der sich in den Schatten des Stalls duckt, dann auf Maria und ihre Mutter. Er straft sie alle mit einem ernst Blick, dann sagt er so laut, dass es im Innenhof von allen Wänden schallt: „Kommt her! Alle!“
Nur zögernd lassen unsere Bediensteten ihre Arbeiten sein und kommen zu uns. Sie verteilen sich im Hof.
Vater sieht sie einem nach dem anderen an, dann sagt er laut: „Ich weiß, dass ich in letzter Zeit nicht besonders oft daheim bin. Wie ihr wisst, werden unsere Grenzen immer wieder von Schönbrunn angegriffen. Ich verteidige mit meinen tapferen Männern eure Familien, aber wie dankt ihr mir das? Ihr habt hier nur eine Aufgabe, euch um meine Familie zu kümmern und ganz besonders um meinen Sohn. Nur weil er mein Erstgeborener ist, muss er nicht mit Samthandschuhe angefasst werden. Er soll Benehmen lernen, damit er sich in Hochadel sehen lassen kann. Auch eure Hände Arbeit soll er zu schätzen lernen.“ Sein Blick richtet sich auf mich. „Deswegen mein Sohn, auch wenn heute dein Geburtstag ist ...“ Vater geht einen Schritt auf Peter zu und nimmt ihm die Mistgabel aus der Hand. Mit ihr kommt er zu mir zurück. „… wird Peter Henri auf die Weide bringen und du wirst den Stall zu Ende ausmisten!“ Die Gabel drückt er mir in die Hand.
Ich schaue meinen Vater mit großen Augen an. Bisher habe ich so was noch nie gemacht, ich habe Peter immer nur dabei zu gesehen. Ich bekomme ein breites Lächeln im Gesicht. „Au ja! Der Knecht hat mir das immer verboten, dabei wollte ich das schon immer mal machen! Juchuh!“ Mit der Mistgabel in der Hand laufe ich fröhlich in den Stall und jage die Zacken in den erst besten Misthaufen, den ich finden kann.
Vater sieht mir mit weit aufgerissenen Augen nach, ebenso wie der Rest unseres Dienstpersonals. Immer wieder schüttelt er abwehrend mit dem Kopf. „Ich gebe es auf mit dem Jungen“, murmelt er.
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