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 1. Kapitel ~Kristalinas~

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Enrico
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BeitragThema: 1. Kapitel ~Kristalinas~   1. Kapitel ~Kristalinas~ EmptyMo Dez 19, 2016 8:05 am

1. Kapitel
~Kristalinas~


Durch das Vergrößerungsglas, kann ich den Kristall hundert Mal größer sehen. Ich habe ihn in einen Schraubstock eingespannt, damit er nicht verrutschen kann. Noch ein letzter Schliff, dann ist es vollbracht.
Ich konzentriere mich so stark, dass mein Blick sich trübt. Auf meiner Stirn bilden sich Schweißperlen. Jetzt darf ich keinen Fehler machen, sonst ist die Arbeit der letzten drei Wochen umsonst gewesen. Ich blinzle den trüben Schleier weg, mit der Zunge fahre ich mir angespannt über die Lippen.
Nur noch ein kleines Stück, dann ist die Rille in der Oberfläche perfekt.
Meine rechte Hand zittert, doch es muss mir gelingen eine gerade Linie zu ziehen. Ich wage nicht zu atmen. Nur noch ein kleines Stück. Geschafft! Ich lege den Dremel aus der Hand und nehme eine Pinzette. Mit ihr greife ich den dünnen Streifen, den ich zuvor aus einem anderen Kristall geschnitten habe und lege ihn in die Ausfräsung, vorsichtig drücke ich ihn an. Er passt haargenau. Endlich!
Die Anspannung fällt von mir ab, ich lege alles bei Seiten und spanne ich das Werkstück aus. Stolz betrachte ich es.
Der Kristall ist faustgroß und hat die Form eines Herzens, mit zwei Kammern. Langsam beginnt er in einem blasen Blau zu pulsieren, die Intensität nimmt zu, bis er in der Farbe des Meers leuchtet. Die Energie durchströmt jeden Winkel, der Stein erwärmt sich zunehmend.
Aufgeregt springe ich vom Stuhl. Ich werde ihn Vater zeigen, der wird Augen machen, wenn ich damit meinen Kristalina wieder zum Leben erwecke. Ich puste in die Kristallkugel über meinem Schreibtisch, das Licht in ihr erlischt. Das Herz in meiner Hand reicht als Lichtquelle, um mich im finsteren Keller zurecht zu finden.
Um mich herum tanzen die Schatten von Werkzeugen und Gerätschaften.
Ich steige über einige Rohkristalle am Boden und taste mich bis zur Holztreppe. Als ich sie erreiche, muss ich über den Rücken eines unfertigen Kristalina steigen.
Es sollte einmal ein Löwe werden. Ansehen kann man ihm das allerdings nicht mehr. Ihm fehlt der Kopf, mit der Mähne und alle vier Gliedmaßen. Ich habe seit vier Monaten nicht mehr an ihm gearbeitet. Er dient nur noch als Rohstoffquelle, für meinen derzeitigen Favoriten.
Ich steige über ihn, dann eile ich die Treppe hinauf. Das Holz der Stufen knarrt unter meinen Schritten. Hoffentlich ist Vater nicht schon auf dem Weg zur Arbeit. Wenn ich mit einem neuen Projekt beschäftigt bin, vergesse ich schnell die Zeit. Auch jetzt habe ich keine Ahnung, wie lange ich schon hier unten bin.
Laut krachend schlage ich die Kellertür auf und schaue mich im Wohnraum um.
Der Tisch in der Mitte ist verlassen, nur noch eine leere Tasse und ein verwaister Teller, weißen darauf hin, dass mein Vater hier gesessen haben muss.
Die Wohnungstür steht offen, eine dunkle Gestalt hebt sich vor dem hellen Hintergrund ab.
Meine Augen haben sich noch nicht an das grelle Tageslicht gewöhnt, trotzdem bin ich mir sicher, dass der schemenhafte Schatten meinem Vater gehört. Die breiten Schultern und der dunkle Anzug, sind typisch für ihn.
„Ich bin fertig!", platzt die Neuigkeit aus mir heraus.
Vater ist stehen geblieben und schaut mich erschrocken an.
Der Adler auf seiner Schulter legt den Kopf schief, sein Schnabel steht offen, seine Flügel liegen eng am Körper. Er ist von Kopf bis Fuß mit lebensechten Federn bedeckt, die sein kristallines Innere verbergen, nur aus seiner Brust dringt ein schwaches Licht, das verrät, dass er kein echtes Tier ist.
Ich stürme auf die Beiden zu und bleibe neben einem hüfthohen Wolf stehen.
Sein Kopf hängt schlaff herab, seine eisblauen Augen sind leer. Er ist nur eine Hülle, kein Wunder, immerhin halte ich sein Herzstück in Händen. Den pulsierenden Kristall strecke ich meinem Vater entgegen.
Er Lächelt versöhnlich und schüttelt mit dem Kopf. „Ich habe keine Zeit, mein Junge!" Er braucht nicht mehr zu sagen, ich weiß auch so, dass er zur Arbeit muss und ich ihn mal wieder tagelang nicht sehen werde. Was ist es wohl dieses Mal? Eine Ratssitzung oder eine Geschäftsreise?
Meine Laune kühlt sich bis zur Gleichgültigkeit ab. Ich lasse die Schulter fallen und nehme meine Arme zurück.
Vater kommt auf mich zu, er bleibt vor mir stehen und legt mir seine Schaufelhände auf die Schultern.
Ich fühle die Last seiner Arme auf mir.
„Jetzt sei doch nicht enttäuscht! Ich bin in zwei Tagen zurück, dann sehe ich mir an, was du neues erfunden hast. Vielleicht können wir es ja wieder in Serie geben, wie dein Energieflussupdate, vom letzten Mal."
Ich rolle mit den Augen und sehe zur Seite weg.
„Was hast du?", fragt er.
„Ich baue Isegrim nicht, damit du mit ihm Geld verdienst, sondern ..."
Vater sieht auf die Uhr, an seinem Handgelenk. „Ich muss los! Wir reden am Wochenende darüber." Er geht ohne einen Blick zurück und schließt die Haustür nach sich. Ich kann seine Gestalt durch das Milchglas verschwinden sehen.
Super! Drei Wochen Arbeit und er denkt nur daran, Geld zu verdienen. Dabei wollte ich aus Isegrim etwas Einzigartiges machen und kein Fließbandprodukt.
Ich seufze schwer und sehe auf den Kristalina in Wolfsgestalt herab.
Anders, als seine Artgenossen, ist er komplett aus Kristall gefertigt. Selbst sein Fell besteht aus Kristallfäden, die seidig schimmern und sich weich anfühlen, wenn man sie berührt.
Ich lege das pulsierende Herz in seinen Rücken. Es versinkt im Inneren des Wolfes.
Der Kristalina leuchtet, sein Kopf erhebt sich, die Augen blitzen auf. Er beginnt sich zu strecken und testet seine Beweglichkeit.
Gespannt warte ich darauf, ob das Update wie geplant funktioniert.
Der Kopf des Wolfes dreht sich zu mir. Er legt die Ohren zurück und schaut mich fragend an.
Ich sehe mit traurigem Blick zurück. Ob er meine Mimik lesen kann?
„Was hast du Karak?"
Meine Augen weiten sich vor Erstaunen. Er fragt mich tatsächlich, nach meinem Befinden, aber versteht er wirklich, dass es mir nicht gut geht? Ich beschließe ihn zu testen. „Mein Vater ist zur Arbeit und ich bin mal wieder allein."
Der Wolf schaut mitleidig, er reibt seine Schnauze an meinem Bein, während er mich von unten herauf ansieht. „Du bist nicht allein. Ich bin doch hier!"
Ich seufze gequält. Bin ich wirklich schon so vereinsamt, dass ich meinem Kristalina Gefühle einimpfe, um nicht allein zu sein? Die Antwort ist so bitter, dass ich noch einmal seufzen muss.
Ich streichle dem Wolf über den Kopf. So ist das nun mal, als Sohn des Chefs der größten Kristalina Fabrik des Landes.
„Komm, gehen wir zur Schule!", beschließe ich und verlasse mit Isegrim das Haus.
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