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 3. Kapitel ~Gezinkte Karten~

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Enrico
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BeitragThema: 3. Kapitel ~Gezinkte Karten~   3. Kapitel ~Gezinkte Karten~ EmptyDi März 13, 2018 7:03 am

3. Kapitel
~Gezinkte Karten~

Als Antonio den Midnightsclub erreicht, parkt das Motorrad seines Freundes bereits vor dem Eingang. Er stellt seine Maschine daneben und hält auf den Türsteher zu.
Der stattliche Mann, im schwarzen Smoking, lächelt und öffnet die Tür für ihn.
Antonio nickt ihm zu, ohne ihn wirklich wahrzunehmen. Gedanklich ist er schon bei Enrico und dabei ihm ordentlich eine einzuschenken. Mal so richtig mittig ins Gesicht, darauf hat er jetzt Lust.
Da ist es gerade mal ruhiger in ihrem Leben und da muss sich Enrico ausgerechnet Aaron zum Feind machen. Ihnen trachten ja noch nicht genug Männer nach dem Leben.
Schnurstracks durchquert er den Club. Vorbei an den wenig begleiteten Frauen und den Tischen, unter den Rotlichtlampen, vorbei auch an den Männern mit offenen Hosen und ihren Nutten im Schritt.
Die Blicke der Frauen, die gerade nicht beschäftigt sind, richten sich auf ihn. Lüstern sehen sie ihm nach.
Innerlich schüttelt es Antonio, bei dem Gedanken, dass sie gleich wieder an ihm kleben werden. Er wird sich seinen Freund schnappen, und dann sofort wieder verschwinden, nimmt er sich fest vor, als er die Bar erreicht.
Der Barkeeper im weißen Anzug, lächelt ihn freundschaftlich an. Sein Blick ist wissend, ein amüsiertes Schmunzeln ziert seine Mundwinkel.
„Wo ist er, Maike?“, fragt Antonio gerade heraus.
Der Barkeeper poliert ein Glas und deutet mit einem Schwenk seines Kopfes, auf einige Stufen, die hinauf zu den Spieltischen führen.
Rechts neben der Treppe steht ein hoch gewachsener Mann, die Arme verschränkt, in dem gleichen Smoking, wie der Kerl draußen vor der Tür. 'Zutritt nur für Spieler' – kommen Antonio die Worte des Besitzers in den Sinn. Dieser Kerl wird ihn niemals durch lassen.
Resigniert seufzt Antonio und lässt sich auf einem der Hocker nieder. „Dieser verdammte Mistkerl!“, sagt er.
„War wohl ein harter Tag mit deinem Chef, was?“, fragt Maike und zündet sich eine Zigarette an.
„Das kannst du laut sagen. Wenn er da runter kommt und alles verspielt hat, leg ich ihn um.“
Maike schmunzelt und zieht genüsslich an seiner Zigarette.
„Hast du nicht wenigstens was zu trinken für mich, wenn ich hier schon warten muss?“, fragt Antonio.
Maike legt die Kippe in den Aschenbecher und füllt ihm ein Glas mit Wasser, das er auf den Tresen stellt.
Antonio sieht den Barkeeper finster an. „Ist das dein Ernst?“
„Wir haben Prohibition und du bist erst fünfzehn“, sagt Maike trocken.
Genervt rollt Antonio mit den Augen. Er akzeptiert das Wasser, klaut sich dafür aber die Kippe aus dem Aschenbecher. Demonstrativ zieht er daran und lässt den Qualm seine Lungen füllen. Das ist schon deutlich besser.
Maike beugt sich über den Tresen und sagt, mit gespielter Sorge: „Du wirst noch abhängig, mein junger Freund.“
„Was soll's! Irgendwie muss ich das Elend hier ja ertragen.“ Wieder zieht Antonio an der Kippe, während sich ein Frauenzimmer in sein Blickfeld schiebt.
Ihr üppiger Busen quillt aus dem eng geschnürten Korsett, der Bauch ist frei und nur ein schmales Höschen bedeckt ihren Intimbereich. Ihre langen dünnen Beine, sind lediglich mit Strapsen umhüllt. Sie hat ein verführerisches Lächeln auf den Lippen.
„Hau ab!“, schreit Antonio sie an, bevor sie sich auf den Hocker neben ihm setzen kann.
Die Frau sieht von ihm zu Maike.
„Er ist noch minderjährig, suche dir jemand anderen, Darla.“
„Wie schade!“ Darla setzt ein zuckersüßes Lächeln auf und verschwindet mit einem eleganten Hüftschwung.
Antonios Blick wandert die Treppe hinauf. Zwischen den Gitterstäben, die die zweite Ebene umgeben, kann er die Spieltische einsehen.
An einem von ihnen sitzt Enrico, zusammen mit dem Chef der Bar und etlichen anderen, zwielichtigen Gestalten. Geldscheine türmen sich auf dem Tisch. Der schwarze Koffer steht neben Enricos Beinen, er ist offen und leer.
Antonio muss schwer mit sich kämpfen, nicht sofort die Treppe hinauf zu stürmen und seinen Freund vor versammelter Mannschaft zu verprügeln. Wenn Aaron sein Geld nicht wieder bekommt, sind sie so gut wie tot. Angespannt fährt er sich durch die Haare und nimmt einen weiteren Zug der Zigarette.
Er hätte Enrico niemals mit her bringen dürfen. Der fühlt sich hier schon viel zu wohl. Aber Erik ist nun mal der Einzige, bei dem sie Munition und Waffen bekommen können, ohne das Fragen gestellt werden.
Maike legt die Arme übereinander auf den Tresen und folgt Antonios Blick. Ein mitleidiges Lächeln liegt ihm auf den Lippen, als er sagt: „Der Kurze macht dich fertig, oder?“
„Das kannst du laut sagen. Das ist nicht mal unser Geld, dass er da verzockt.“
„Ich hab mich auch schon gewundert, wo ihr so viel Schotter her habt. Als er letzte Woche mit Erik darüber gesprochen hat, dachte ich er macht Witze. Will ich wissen woher es stammt?“
Antonio nimmt einen Schluck aus dem Glas und lässt sich besonders viel Zeit mit seiner Antwort: „Nein, willst du nicht!“

An den Spieltischen tut sich etwas, einer der Männer erheben sich. Er wirft seinen Stuhl um und beugt sich weit über den Tisch nach vorn. „Hier ist doch was faul Erik! Das ist doch noch ein Kind. Die ganze Zeit verliert er und jetzt, wo es richtig um Geld geht, gewinnt der Hosenscheißer?“
Antonios Aufmerksamkeit wandert die Treppe hinauf. Angespannt beobachtet er den breitschultrigen Geschäftsmann, der sich vor Enrico aufbaut. Automatisch wandert seine Hand in den Hosenbund und an den Griff seiner Pistole.
Enrico bleibt entspannt sitzen, lediglich seine Gesichtszüge werden finster, ein Grinsen setzt sich in seine Mundwinkel. „Ich kann nichts dafür, dass du mich unterschätzt hast, alter Mann“, entgegnet er frech.
Antonio stockt der Atem.
Das Gesicht des beleidigten Mannes, färbt sich knallrot, die große Ader an seinem Hals springt hervor. Er ballt die Hände zu Fäusten, sicher springt er gleicht über den Tisch.
Antonio rutscht von seinem Hocker, bereit die Treppe hinauf zu stürmen, um seinem Freund zu Hilfe zu eilen.
Auch der stämmige Mann vor der Treppe, richtet seinen Blick hinauf, bereit einzugreifen.
Der Blick des Geschäftsmannes richtet sich auf den Barbesitzer. „Erik, jetzt sag doch auch mal was dazu!“
Erik lehnt sich in seinem Stuhl zurück. „Nun meine Herren, ihr wart damit einverstanden gegen ein Kind zu spielen. Ihr habt es doch in den ersten Runden genossen den Kurzen abzuziehen. Da habe ich keine Klagen gehört und jetzt, wo er mal ein glückliches Händchen hat, mault ihr rum.“
„Aber du hast gesagt, er hätte es gerade erst gelernt“, sagt der Geschäftsmann aufgebracht.
„Ja, letzte Woche. Dass nennt man dann wohl Anfängerglück“, sagt Enrico. Er legt die Arme hinter den Kopf und grinst breit.
„Nun meine Herrn, ihr wisst ja wie das hier läuft, mal gewinnt man und mal verliert man. Seht es als kostenlose Lektion euren Gegner niemals zu unterschätzen“, sagt Erik und beginnt damit das Geld auf seiner Tischhälfte zu stapeln.
Das Gesicht des Geschäftsmannes verfärbt sich bereits lila vor Zorn. Er droht mit den Fäusten und schreit: „Das soll wohl ein Scherz sein. Hier liegen fast drei Millionen Dollar auf dem Tisch, dass ...“
Erik erhebt sich und öffnet provokant sein Sakko. Darunter trägt er zwei Holster, mit jeweils einer Pistole darin. „Ihr wolltet spielen, wir haben gespielt und jetzt würde ich euch bitten, mein Lokal zu verlasen.“
Die vier Männer, die mit ihm und Enrico gespielt haben, werfen ihre Karten auf den Tisch und stehen auf, fluchend kommen sie die Treppe hinunter. Auf direktem Weg verlassen sie die Bar.
Antonio sieht ihnen nach, bis sie auch wirklich das Gebäude verlassen haben, erst dann atmet er durch und setzt sich wieder auf seinen Hocker. Seine Anspannung aber bleibt. Finster mustert er Enrico.
Sein Freund hebt den Koffer auf den Spieltisch und legt die gebündelten Geldscheine hinein. Die restlichen Scheine sammelt Erik ein und bündelt sie. Immer wieder sieht Enrico mit einem breiten Grinsen von oben auf Antonio herab.
Als alles Geld gezählt ist, laufen Erik und Enrico die Treppe herunter. Sie unterhalten sich angeregt und kommen direkt zur Bar. „Nicht schlecht für dein erstes richtiges Spiel. War kein schlechter Plan sie erst mit ein paar verloren Spielen anzulocken.“
„Ich hab dir doch gesagt, die lassen sich das nicht entgehen, gegen einen Anfänger zu spielen.“ Enrico legt den Koffer auf den Tresen und meidet Antonios Blick.
Dieser kocht innerlich und kann sich nur mit größter Mühe zurück halten, ihm nicht hier, vor allen, ins Gesicht zu springen.
„Aber jetzt mal ehrlich. Du hast doch bei mir nicht zum ersten Mal gezockt, oder?“, fragt Erik.
„Nein, ich hab's früher oft mit meinem Bruder und meinem Vater gespielt. Aber nie um Geld, nur um Süßigkeiten.“
„Und da kommst du hier her und legst ne halbe Million auf den Tisch, um zu spielen. Du bist echt verrückt, weist du das?“ Erik lacht.
„Verrückt ist gar kein Ausdruck!“, sagt Antonio Zähneknirschen.
Enrico schenkt ihm keine Aufmerksamkeit, ernst sieht er Erik dabei zu, wie er einen Spiegel hinter dem Tresen abnimmt und den Safe dahinter öffnet. „Sag mal, hast du nicht was vergessen, Erik?“
Erik dreht sich nach ihm um. „Ach ja?“
„Meinen Anteil!“
„Stimmt!“ Erik grinst verschlagen. „Wie viel hatten wir gleich noch mal ausgemacht?“
„Ich wollte das Geld verdoppeln, das ich mitbringe!“
„Eine halbe Million? Du willst mich wohl ruinieren?“
„Jetzt hab dich nicht so. Durch mich hast du gerade zwei Millionen gewonnen. Die hätten nie so viel gesetzt, wenn sie nicht gedacht hätten, ein Kind abziehen zu können. Glaub ja nicht, dass du mich so leicht übers Ohr hauen kannst, wie diese Typen.“
„Na schön, du Aasgeier.“ Erik beginnt damit einen Teil des Geldes abzuzählen. „Hier, eine halbe Million Dollar!“ Er legt das Geld vor Enrico auf den Tresen, doch als dieser danach greifen will, zieht er es wieder zurück. „Aber dafür muss du nächsten Monat noch mal wieder kommen und beim großen Turnier mitspielen. Einverstanden?“
„Von mir aus!“
„Gut!“ Erik überlässt Enrico tatsächlich das Geld.
Antonio bleibt der Mund offen stehen. Das gibt es doch nicht.
Enrico wendet sich ihm zu, er lächelt vergnügt und packt das zusätzliche Geld in den Koffer. „Gut dann lass uns abhauen! Ich bin jetzt schon auf Aarons Gesicht gespannt, wenn ich ihm eine Million auf den Tisch lege.“

...~*~...

Gemeinsam mit Toni verlasse ich die Bar und kann einfach nicht aufhören zu grinsen. Endlich habe ich genug zusammen, dass ich unser zu Hause offiziell kaufen kann. Ich kann es kaum erwarten, Aaron mein Angebot zu unterbreiten. Fröhlich halte ich auf mein Motorrad zu, als mich ein harter Schlag auf den Hinterkopf trifft. Erschrocken fahre ich zusammen und sehe Toni ärgerlich an. „Hey! Wofür war das?“, frage ich und reibe mir die getroffene Stelle.
„Da fragst du noch?“ Toni ballt die Hände zu Fäusten. Hart schlägt er mir auf den Oberarm „Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?“
Ich bringe einen Schritt Abstand zwischen ihn uns und halte mir den Arm. Obwohl er mächtig weh tut, kann ich nicht anders, als Toni anzugrinsen. Seine Wut besänftige ich damit jedoch nicht.
Er reißt mir den Koffer aus der Hand und schreit: „Gib her! Den nehme ich, bevor du noch mehr so schlaue Einfälle hast. Verdammter Idiot! Ich könnt dich erschlagen! Wenn du verloren hättest, wären wir jetzt so gut wie tot. Ist dir das in deinem Spatzenhirn überhaupt klar?“ Er steigt auf seine Maschine.
Ich bleibe vor ihm stehen und zwinge mich dazu wieder ernst zu werden, als ich sage: „Du glaubst wirklich, dass wir da oben fair gespielt haben, oder?“
Fragend betrachtet Toni mich und legt dabei den Kopf schief.
„Erik wollte diese Kerle von Anfang an ausnehmen. Wenn ich nicht gewonnen hätte, dann hätte er es. Ich war einfach nur der Köter, damit sie ihr Geld auf den Tisch legen, mehr nicht. Es ging nie darum, das Geld direkt beim Pokern zu gewinnen. Ich wollte mir meinen Anteil nach dem Spiel von Erik verdoppeln lassen, mehr nicht.“
Ungläubig sieht Toni mich auch weiterhin an.
Ich lege ihm meine Hand um die Wange und lächle ihn vertrauensvoll an. „Glaubst du wirklich, ich würde uns so leichtsinnig in Gefahr bringen? Ein bisschen besser solltest du mich schon kennen.“
Tonis Gesichtszüge bleiben ernst. Er packt meine Hand am Gelenk und zieh sie von sich weg. „Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?“, fragt er.
Ich lächle verschlagen, als ich antworte: „Weil ich deine Reaktion einfach zu lustig fand. Ich mag es, wenn du dich umsonst aufregst. Dann guckst du immer so süß, unter deinen schwarzen Haaren heraus.“
Tonis Blick wird zunehmen düsterer, bitterböse funkeln mich seine smaragdgrünen Augen an. „Ich hasse dich!“, sagt er und stößt meine Hand von sich.
Ich gehe provokant langsam um sein Motorrad herum und lege ihm meine Hand auf die Schulter.
Als er demonstrativ den Kopf von mir wegdreht, flüstere ich ihm ins Ohr: „Ich liebe dich auch.“
Er brummt in sich hinein und knirscht mit den Zähnen. Sein Motorrad lässt er aufheulen und wendet es im Hof.
Ich steige auf meine Maschine und tue es ihm gleich.

Toni spricht die ganze Fahrt über kein Wort mehr mit mir, selbst als wir das Anwesen Aarons erreichen, meidet er noch immer meinen Blick.
Wir parken die Motorräder vor dem eisernen Tor.
Auf dem weitläufigen Grundstück ist lautes Hundegebell zu hören. Wenig später springen zwei große Dobermänner aufgeregt gegen die Gitterstäbe. Sie schieben ihre Schnauzen hindurch und versuchen den ganzen Kopf hindurchzuzwängen.
Ich krame in den Taschen meiner Hose und ziehe zwei getrocknete Fleischstreifen heraus.
Aus dem Maul des Rüden läuft bereits ein langer Sabberfaden. Er wufft mich immer wieder an. Die Fähe ist nicht so gierig. Als ich den beiden Hunden jeweils ein Stück Fleisch reiche, schlingt der Rüde es schnell hinunter, während die Fähe es mir ganz zaghaft aus der Hand zieht und damit weit ins Grundstück hinein rennt, um es in sicherer Entfernung zu vertilgen. Die Nase des Rüden sucht meinen ganzen Arm und schließlich meine Hosenbeine ab.
„Ich habe heute nicht mehr Scotch, lässt du mich trotzdem rein?“, frage ich.
Er legt mir seinen Kopf in die Hand und will hinter den Ohren gestreichelt werden.
Ich zwänge mich durch die Gitterstäbe zu ihm.
Scotch umrundet mich, immer wieder drückt er seinen Kopf gegen meinen Arm. Er lässt mich keinen Schritt gehen, stattdessen wirft er sich vor mir auf den Rücken und präsentiert mir seinen hellen Bauch.
Ich hocke mich zu ihm und kraule ihn.
„Wie wäre es, wenn wir heute mal am Tor klingeln würden?“, fragt Toni. Er steht noch immer vor dem Tor, mit dem Koffer in der Hand.
Unverständlich mustere ich ihn. „Warum?“
„Weil es sich so gehört, verflucht noch mal. Das ist das Anwesen des Paten. Diese Hunde müssten dich eigentlich in Stücke reißen. Zeig wenigstens ein Mindestmaß an Respekt!“
Ich rolle mit den Augen und wuschle Scotch das Fell.
Brandy kommt langsam zu mir getrottet. Von hinten schleicht sie sich an mich heran und schiebt mir ihren Kopf unter den Arm. Sie reibt die Schnauze in meiner Achsel.
Ich nehme ihren Kopf und streichle sie. „Ach was, ihr doch nicht. Ihr seid keine Wachhunde. Ihr seid Kuscheltiere. Ja, gutes Mädchen. Da auch noch? Ja, so?“
Toni schüttelt mit dem Kopf und betätigt den Knopf der Gegensprechanlage.
Eine gebrechliche, alte Stimme meldet sich: „Sie wünschen?“
„Jester, wir sind wieder zurück“, antwortet Toni dem Butler.
Die Tür ihm fernen Anwesen öffnet sich, die verwunderte Stimme des Butlers ist von dort und durch die Gegensprechanlage zu hören: „Ihr seid heute noch nicht im Grundstück?“
Belustigt sehe ich Toni an.
Er schaut böse zurück. „Ich hielt es für anständiger, vorher zu läuten“, antwortet er dem Butler.
„Sehr vernünftig, junger Herr“, entgegnet Jester und kommt den weißen Kiesweg herunter.
Toni und ich tauschen feindselige Blicke. Während ich weiter die Hunde kraule, geht der alte Butler an mir vorbei und öffnet das Tor für Toni. Als er eintritt, sagt Jester mit mahnendem Blick auf mich gerichtet: „Wenigstens einer von euch beiden, weiß was sich gehört.“
Toni betrachtet mich mit demselben Blick.
Ich rolle mit den Augen. Diese ganze Etikette geht mir gehörig auf die Nerven. Wozu habe ich die Wachhunde des Paten gezähmt, wenn ich dann nicht auch das Grundstück betrete?
„Wenn ihr mir dann bitte folgen wollt!“, sagt Jester übertrieben höflich und geht mit Toni an mir vorbei.
Ich streichle beide Hunde noch einmal ausgiebig, dann folge ich ihnen.

Jester führt uns den Kiesweg hinauf und über die wenigen Stufen hinein ins Anwesen.
Wir folgen dem langen Flur, mit den teuren Kommoden und den unzähligen Gemälden an den Wänden, bis zu einer Treppe. Ihre Stufen sind mit rotem Samt ausgeschlagen. In der Mitte teilt sie sich und führt, eine in den West- und die Andere in den Ostflügel des Anwesens. An der Wand, dort wo sich die Treppe teilt, hängen Gewehr unterschiedlichsten Kalibers und Bauart. Ich bin diese Stufen schon so oft hinaufgestiegen, doch immer wieder entdecke ich ein neues Bild oder eine Waffe, die mir zuvor nicht aufgefallen ist.
Wir folgen Jester in den Ostflügel zum Büro Aarons. Die schwere Eichentür steht bereits offen. Sanfte Soulmusik schwebt im Raum.
„Bitte wartet hier!“, sagt Jester und betritt das Büro, „Master! Enrico und Antonio sind zurück. Habt ihr Zeit sie zu ...“
„Jetzt tut bitte nicht so förmlich, Jester. Komm schon herein Enrico!“, ruft Aaron so laut, dass es deutlich im Flur zu hören ist. Seine Stimme ist beschwingt und freundlich.
Ich nehme Toni den Koffer ab und strecke ihm die Zunge raus.
Er will noch etwas sagen, doch ich lasse ihn stehen und betrete das Büro.
Aaron sitzt wie üblich an seinem reich verzierten Schreibtisch. Hinter ihm stapeln sich Bücher und Akten, in zwei großen Regalen, die bis zur hohen Decke reichen. Der Blick des alten Herrn, mit dem am Ansatz ergrauten Haar, richtet sich auf den Aktenkoffer. Er lächelt zufrieden, als er sagt: „Wie ich sehe, seid ihr erfolgreich gewesen.“
Ich erwidere sein Lächeln und lege ihm den Koffer auf den Tisch. „Ja, es war nicht einfach, aber wir haben, was du wolltest.“
Aaron deutet mit der offenen Hand auf den Holzstuhl vor dem Schreibtisch.
Ich setze mich.
Tonis Schritte kommen näher, er verschränkt die Arme hinter dem Rücken. Steif bleibt er hinter mir stehen.
Aaron öffnet den Koffer, sieht die Bündel durch und hebt ihn kommentarlos vom Tisch. Er stellt ihn neben sich auf dem Boden ab.
Enttäuscht sehe ich ihm dabei zu. „Hast du gar nicht bemerkt, dass da viel mehr Geld drin ist? Das sind jetzt eine Million Dollar.“
„Und?“, fragt Aaron, seine Gesichtszüge sind ein undurchschaubares Minenspiel.
„Freust du dich denn gar nicht? Ich hab die Summe verdoppelt!“
Aarons Blick wandert von mir zu Toni. „Will ich wissen wie?“
„Glücksspiel!“, entgegnet Toni trocken und emotionslos.
Ich werfe ihm einen warnenden Blick zu, doch Toni sieht nur finster zurück.
Aarons Aufmerksamkeit wandert wieder zu mir. Vorwurfsvoll durchbohrt er mich mit seinem Blick.
Ich atme einmal tief durch und versuche mich in einer Erklärung: „Das war kein richtiges Glücksspiel. Ich habe mit Erik West ein paar Geschäftsmänner abgezockt. Ich habe nur den Köter gespielt. Es gab nie ein Risiko das Geld zu verlieren.“
Aaron mustert mich mit finsterer Miene.
Mir läuft es eiskalt den Rücken hinunter. Zum ersten Mal kommt mir der Gedanke zu weit gegangen zu sein. Verlegen grinse ich ihn an, doch seine Mine hellt sich nicht auf. Schließlich schaue ich unter seinem Blick hinweg und sage kleinlaut: „Tut mir leid. Aber die Sache war wirklich todsicher. So eine Gelegenheit konnte ich doch nicht verstreichen lassen.“
„Dein Geschäftssinn in allen Ehren, aber Alleingänge sind mir höchst zuwider. Noch so ein Ding und du erlebst mich mal von meiner ungemütlichen Seite!“, donnert seine tiefe Stimme auf mich ein.
Ich fahre erschrocken zusammen. Mit so einer Reaktion habe ich nicht gerechnet. Ich bleibe stumm und wage nicht meinen Blick zu erheben.
„Wofür sollte das überhaupt gut sein? Glaubst du mich damit beeindrucken zu können?“, fährt Aaron laut fort.
Ich zögere mit meiner Antwort, vorsichtig sehe ich ihn an.
Aaron schaut noch immer ernst, aber nicht mehr so finster wie zuvor.
„Nein, nicht unbedingt. Eigentlich wollte ich dir mit dem Geld unsere Fabrik abkaufen.“
Aaron schaut überrascht und lehnt sich in seinen Sessel zurück. „Die Fabrik, in der du und deine Gang wohnen?“
„Ja!“
Ein seltsames Schmunzeln legt sich auf Aarons Gesichtszüge.
Ich kann seinen Blick nicht deuten und sehe ihn verunsichert an.
„Du bist erst 16 Enrico. Du bist weder mündig noch geschäftsfähig. Selbst wenn ich dir die Fabrik für eine halbe Million überlassen wollen würde, was nicht der Fall ist, könnte ich es nicht.“
„Aber du hast uns doch auch die Führerscheine für die Motorräder besorgt“, halte ich dagegen.
„Das war nichts weiter als ein gefälschtes Stück Papier. Das hier ist was andere.“
„Eine Grundstücksuhrkunde ist auch nur ein Stück Papier“, sage ich leise.
„Warum willst du die Fabrik überhaupt kaufen?“
„Darf ich ehrlich sein?“
„Ja, ich bitte darum!“, sagt Aaron deutlich freundlicher.
Ich atme tief durch, dann sage ich: „Weil ich Angst habe, dass du uns eines Tages doch noch auf die Straße setzt. Ich wollte einfach die Sicherheit, das unser zu Hause auch wirklich uns gehört. Ich habe schon einmal alles verloren, das wollte ich nicht noch mal erleben.“ Meine Gedanken kreisen um das Haus meiner Familie, dass von unseren Feinden nieder gebrannt wurde. Seit dem leben mein Bruder, Toni und ich auf der Straße. Ich hätte das so gern ganz offiziell geändert.
„Ich habe eine andere Idee“, sagt Aaron aufmunternd, „So weit ich informiert bin, ist das Dach der Fabrik undicht und die Räum alle herunterkommen. Ihr habt weder Strom noch einen Wasser- und Kanalisationsanschluss. Wir nehmen das Geld dafür und wenn du volljährig geworden bist, verhandeln wir neu, was das Grundstücksrecht betrifft.“
„Ja, na gut!“

...~*~...

„Wie machst du das eigentlich immer wieder?“, fragt Antonio seinem Freund, als sie das Grundstück des Paten verlassen.
„Was meinst du?“
„Na Aaron immer wieder so leicht zu beschwichtigen. Er war eigentlich echt sauer wegen der Sache mit dem Glücksspiel. Hast du denn so gar keine Angst vor ihm? Sicher hätte er jeden anderen aus dem Clan dafür hart bestraft. Nur dich nicht. Das verstehe ich nicht.“
Ich beginne darüber nachzudenken und finde keine schlüssige Antwort. „Mhm, keine Ahnung. Aaron erinnert mich ein bisschen an meinen toten Vater. Vielleicht habe ich deswegen keine Angst vor ihm. Ich mag ihn zu sehr. Vielleicht habe ich ja einfach das Glück, dass er mich auch ein bisschen mag.“
Toni schüttelt mit dem Kopf und macht ein nachdenkliches Gesicht. „Du hast echt mehr Glück als Verstand, aber tu uns den Gefallen und reiz das nicht immer wieder bis zum Äußersten aus. Das machen meine Nerven nämlich nicht mehr mit.“
„Na gut. Du hast ja Recht. Tut mir leid.“ Ich steige auf meine Maschine, breit lächelnd füge ich an: „Aber zumindest haben wir jetzt bald Strom und müssen unser Wasser nicht mehr aus dem Brunnen holen.“
Toni schüttelt abwehrend mit dem Kopf. „Ich sag ja, mehr Glück als Verstand.“
Ich lächle und starte den Motor. „Was hältst du davon, wenn wir heute Abend auf Robins Party gehen und ich es wieder gut mache?“
„Du willst echt heute Abend noch weggehen?“, fragt Toni und gähnt herzhaft.
„Ja. Die Party ist immerhin nur einmal im Monat und bis jetzt haben wir keine verpasst.“
„Enrico, wir sind jetzt seit fast 48 Stunden wach, ich wollt so langsam mal ins Bett.“
„Ich bin aber noch hell wach!“
„Du machst mich fertig. Ehrlich!“
„Ach komm schon! Bitte! Wir können doch danach bei Robin pennen.“
„Nein, ich hab die Schnauze voll für heute. Geh allein, wenn du unbedingt hin willst.“
Ich ziehe einen breiten Schmollmund und sage herausfordernd: „Und wenn mich dort einer ihrer Gäste anbaggert und abschleppen will?“
Tonis Blick wird ernst. „Enrico, du bewegst dich heute auf verdammt dünnem Eis. Lass es!“
„Ach komm schon!“
„Nein! Mach was du willst, aber ich geh jetzt pennen.“ Er startet seine Maschine und gibt Gas. Auf direktem Wege steuert er die Straße nach Brooklyn an.
Ich sehe ihm noch lange nach und hoffe vergebens, dass er wieder zurückkommt, doch sein Motorrad ist längst nicht mehr zu hören. Schließlich wende ich meine Maschine und fahre in die entgegengesetzte Richtung.
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