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 1. Kapitel ~Die Nacht davor~

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Enrico
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BeitragThema: 1. Kapitel ~Die Nacht davor~   1. Kapitel ~Die Nacht davor~ EmptySo Jul 21, 2019 6:00 pm

1. Kapitel
~Die Nacht davor~


„Junger Herr!“, ruft Maria mir nach, doch ihre Stimme verliert sich in den endlosen Gängen weit hinter mir. Ich darf des Nachts nicht mehr in den Westflügel zu meinen Eltern, aber morgen ist mein Geburtstag und ich weiß ganz genau, dass sie jetzt vor dem großen Kamin sitzen und meine Geschenke einpacken. Was es wohl dieses Jahr ist? Endlich ein eigener Sattel, ein Holzpferd, oder eine Reitgerte? Vielleicht auch Stiefel oder ein neues Gewand, oder gar ein echtes Schwert? Ich muss es einfach wissen, sonst werde ich nicht einschlafen können.
Die Schritte meiner Amme sind nicht mehr zu hören, auch ihre Stimme ist verklungen. Sehr gut, jetzt muss ich nur noch die große Holztreppe hinaufsteigen, dann ist es nicht mehr weit bis zum Kaminzimmer. Ich lege meine Hand schützend um die Flamme der Kerze, dann laufe ich leichtfüßig die Stufen hinauf, sie knarren. Erschrocken halte ich inne. Wenn meine Eltern das gehört haben, dann schicken sie mich gleich wieder ins Bett.
Ich lausche und leuchte nach allen Seiten.
Es ist kein Geräusch zu hören. Im schwachen Schein der Flamme ist gerade mal die nächste Stufe der Treppe sichtbar. Ich atme durch, dann setze ich meinen Weg langsamer fort. Jede Stufe taste ich zuvor mit den Zehen ab, bis ich eine Stelle finde die nicht nachgibt und mich verrät. Ich brauche eine gefühlte Ewigkeit, bis ich endlich oben angekommen bin. Noch einmal schaue ich mich nach allen Seiten um.
Es ist kein Geräusch zu hören und niemand zu sehen. Nur unter einer der Türen leuchtet flackerndes Licht. Das Kaminzimmer, meine Eltern, sind also noch wach.
Ich schleiche auf Zehenspitzen weiter und kann schon beim Näherkommen eine Unterhaltung hören:
„So nah schon?“, fragt meine Mutter. Ihre Stimme klingt angespannt und voller Sorge.
„Einen Tagesritt, vielleicht auch zwei“, entgegnet mein Vater. Auch seine Stimme ist dunkel und unheilvoll.
Ich habe die Tür erreicht, sie steht einen kleinen Spalt offen, zu klein, um in den Raum zu sehen. Ganz sacht schiebe ich sie weiter auf.
Im Kamin lodert ein warmes Feuer, es ist die einzige Lichtquelle im Raum. Vater und Mutter sitzen in zwei weinroten Ledersesseln davor.
Vaters Hände umklammern sich gegenseitig, seine Finger sind ineinander verhakt. Er hat sich weit nach vorn gebeugt und betrachtet den Boden.
Mutters rechte Hand liegt auf seiner Schulter, sie streichelt ihn sanft. Ihr Blick ist sorgenvoll.
Die Stimmung ist so angespannt, warum sind sie denn nicht fröhlich? Ich habe doch morgen Geburtstag. Es liegen auch keine Geschenke auf dem Tisch.
Vater fährt sich durch die langen schwarzen Haare. „Wenn wir ihr Vorrücken nicht aufhalten können, weiß ich nicht was passiert. Ich sollte eigentlich gar nicht hier sein, sondern an der Front bei meinen Männern“, sagt er.
„Aber du hast es Eric versprochen. Außerdem bin ich auch ganz froh, dass du gerade nicht dort bist!“ Die Augen meiner Mutter bekommen einen gläsernen Glanz.
An der Front, also wieder zurück in den Krieg? Aber er ist doch heute erst nach Hause gekommen. Das will ich nicht! Morgen ist mein Geburtstag, da soll er nicht schon wieder abreisen.
Ich stoße die Tür ganz auf und laufe ins Zimmer. Meine Kerze werfe ich weg, sie fällt zu Boden und erlischt. Die Arme breite ich weit aus und stürze auf Vater zu. Mit Tränen in den Augen sage ich: „Nicht schon wieder abreisen! Du hast es versprochen! Du hast gesagt zu meinem Geburtstag bist du wieder zu Hause!“
Meine Eltern schauen mich entsetzt an.
Ich klettere meinem Vater auf den Schoß und falle ihm um den Hals. Wenn ich ihn nur fest genug halte, dann kann er nicht wieder wegreiten.
Vater löst meine Arme von sich, er schiebt mich in sein Sichtfeld. Ernst sieht er mich an, als er fragt: „Warum bist du noch wach und wo ist Maria?“
Ich ignoriere seine Fragen und befreie mich aus seinem Griff. Schnell schlinge ich meine Arme wie um seinen Hals. „Du hast es versprochen!“, sage ich.
Vater legt mir seine starken Arme über den Rücken, sein Blick geht an mir vorbei zu Mutter. „Ehrlich, diese Amme ist zu nichts zu gebrauchen!“, sagt er.
„Vielleicht ist dein Sohn, aber auch einfach ein genau so großer Wildfang, wie du es seinerseits warst.“
Vater bekommt ein Lächeln im Gesicht, doch es hält sich nur kurz. „Bringen wir ihn wieder ins Bett!“, sagt er und legt mir seinen Arm unter die Oberschenkel, dann steht er auf.
„Ich will nicht ins Bett!“, protestiere ich lautstark.
„Es ist aber schon längst Schlafenszeit. Du musst doch für deinen großen Tag morgen ausgeruht sein“, sagt Mutter sanft. Sie erhebt sich aus ihrem Sessel und nimmt mich aus Vaters Armen. Ihr weißes Abendkleid ist samtig weich. Die blonden Locken fallen ihr über die Schulter bis weit über ihren Rücken hinab.
Ich drehe mich nach meinem Vater um. Bisher hat er mir noch immer keine Antwort gegeben.
„Na los, ab ins Bett mit ihm!“, sagt er und dreht sich von uns weg. Er macht einen Schritt auf die Tür zu, doch so einfach kommt er mir nicht davon.
Ich strecke mich nach ihm aus und greife ihn am Kinnbart, sein Gesicht drehe ich zu mir und sehe ihn ernst an: „Wenn ich morgen früh aufwache und du bist nicht mehr da, dann bin ich ganz schrecklich böse auf dich!“
Vater sieht mich einen Moment lang still an, dann wächst ein breites Grinsen auf seinen Lippen. Er legt mir seine Hand auf den Kopf und streichelt mich. „Versprochen, ist versprochen. Ich reise nicht ab, bis wir deinen Geburtstag gebührend gefeiert haben. Dafür wirst du jetzt aber auch ins Bett gehen und dein Zimmer nicht wieder heimlich verlassen.“ Der Druck seiner Hand wird fester, sein Blick streng. „Haben wir uns verstanden junger Mann?“
„Ja!“, entgegne ich.
Mutter setzt sich in Bewegung, sie trägt mich bis zur Tür. Während Vater uns folgt, fragt sie mich: „Warum bist du denn überhaupt noch wach?“
Vater nimmt einen der silbernen Kerzenständer von der Anrichte, er zündet ihn am Kaminfeuer an und geht voraus.
„Ich konnte nicht schlafen. Ich wollte so gern wissen, was ihr für Geschenke einpackt.“
„Also wirklich Eric, so etwas geziemt sich nicht für einen Großfürsten. Einfach des Nachts durch die Gänge zu schleichen und deine Eltern zu belauschen“, sagt sie und versucht streng zu schauen, doch ihre sanften Gesichtszüge lassen das einfach nicht zu.
Wir folgen Vater die große Treppe hinab und durch die Empfangshalle in den Ostflügel.
Im langen Gang ist von weiten ein tanzender Lichtschein zu sehen.
„Junger Herr!“, ruft die Stimme meiner Amme, während das Licht von einer Seite des Ganges auf die Andere und wieder zurück wechselt, schließlich kommen Schritte auf uns zugelaufen.
„Junger Herr, da seid ihr ja!“, sagt Maria nun deutlich lauter. Mit einer einzelnen Kerze in der Hand hält sie auf uns zu. Das junge Mädchen von gerade mal 14 Jahren, tritt in den Lichtschein des Kerzenständers. Sie ist in ein schlichtes Nachtgewand gehüllt. Ein rotes Wolltuch liegt ihr in einem Dreieck über den Schultern, vorn hält sie die Enden mit einer Hand zusammen. Sie ist außer Atem, tiefe Ringe rahmen ihre Augen ein. Es ist nicht die erste Nach, in der sie mich suchen muss.
Wir halten inne.
Vater sieht die Amme streng an, als er sagt: „Maria, warte vor dem Gemach des Jungen auf uns, wir haben zu reden!“
Marias Gesicht bekommt Sorgenfalten, sie senkt den Blick und knickst höflich. „Sehr wohl!“, sagt sie und tritt einen Schritt an die Seite, um uns Platz zu machen.
Vater und Mutter setzen ihren Weg fort. Wir erreichen mein Zimmer, dessen Tür weit offen steht. Leises Knistern des Kaminfeuers ist zu hören, sein schwacher Schein hüllt das Gemach in ein schummriges Licht.
Wir treten ein.
In Mitten des Raumes steht ein großes Bett, mit langen Pfosten, die bis an die Decke reichen. Ein weinroter Stoff ist über sie gespannt und lässt sich, wie ein Vorhang, um das ganze Bett legen. An einer Seite ist er weggezogen, die zurückgeschlagene Decke ist zu sehen.
Alles ist noch so, wie ich es zurück gelassen habe. Bauklötze und hölzerne Tiere verteilen sich auf dem Boden, aus der Kommode neben dem Bett hängen zwei Unterkleider heraus, die ich auf der Suche nach einer neuen Kerze dort herausgezogen habe.
Auf der Kommode steht eine Porzellankaraffe und eine Schüssel mit einem Lappen, der über den Rand hängt. Die Türen meines Kleiderschrankes stehen weit offen, der Kopf eines Schaukelpferdes schaut heraus. Ich habe ihm darin einen Stall eingerichtet. Zu diesem Zwecke habe ich mir bei Sonnenuntergang Heu aus dem Stahl geholt. Einige der Halme liegen im ganzen Zimmer verteilt, der Rest schaut unten aus dem Schrank heraus.
Vater und Mutter sehen sich um, sie werfen sich fragende Blicke zu. Mein Vater sieht zur Tür und die Amme streng an.
Sie zuckt zusammen und senkt schnell den Blick.
Vater macht einen Schritt auf sie zu, Wut steht ihm ins Gesicht geschrieben, doch Mutter legt ihm ihre Hand auf die Schulter. Als er sich nach ihr umdreht, schüttelt sie mit dem Kopf.
Er rollt mit den Augen, dann geht er zur Tür und schließt sie.
Mutter schiebt mit dem Fuß einige der Bauklötze bei Seite, bis sie sich einen Weg zu meinem Bett gebahnt hat, dann setzt sie mich darauf ab. Sie richtet noch einmal mein Kissen und wickelt mich dann in meine Decke ein. „So jetzt wird aber geschlafen!“, sagt sie bestimmt aber liebevoll, während sie sich auf den Rand des Bettes setzt.
Vater kommt zu uns, er stellt den silbernen Kerzenhalter auf meinem Nachtisch ab, dann setzt auch er sich zu mir.
Ich greife nach seiner Hand. Am Mittelfinger trägt er einen großen goldenen Siegelring, mit dem Wappen unserer Familie. Ich fahre den Löwen mit den Fingern ab, er stützt mit seinen Pranken eine Sonne. „Wenn der Krieg vorbei ist, dann bist du wieder ganz oft zu Hause, ja?“, frage ich ihn.
Er atmet hörbar aus und zwingt sich ein Lächeln ins Gesicht. „Ja, gewiss und wenn es soweit ist, dann hoffe ich, dass mein Sohn das Dienstpersonal nicht mehr in den Wahnsinn treibt. So ein Chaos mitten in der Nach, das gehört sich nicht für den Erstgeborenen von Sonnenburg.“
„Na gut!“, sage ich zerknirscht. Dabei finde ich es in meinem Zimmer gar nicht Chaotisch. Mit den Bauklötzen werde ich am nächsten Tag noch weiter spielen, warum sie also wegräumen und Keks hat es im Schrank jetzt auch viel gemütlicher als sonst.
Ich gähne herzhaft, während ich den Ring meines Vaters an seinem Finger drehe, fallen mir immer wieder die Augen zu.
„Schlaf gut mein Engel!“, sagt Mutter und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
„Guten Nacht, Mama, Papa ...“, sage ich im Halbschlaf und sehe meine Mutter nach dem Kerzenhalter greifen, dann bin ich bereits eingeschlafen.

...~*~...

Unruhig wartet Maria vor der Tür, sie wechselt immer wieder von einem auf das andere Bein.
Fest umklammert sie den Halter ihrer Kerze. Sie ist bereits weit herunter gebrannt und flackert gefährlich. Sicher ist sie bald erloschen, dann muss Maria hier ganz im Dunkeln stehen. Dabei sind die endlosen Korridore und Flure schon im Kerzenschein unheimlich genug.
Ihr Blick richtet sich wieder auf die geschlossene Tür.
Es ist nicht das erste Mal, dass sie wegen des Jungen Ärger bekommt. Normal schaltet sie immer ihre Mutter für Fehler, doch wenn der hohe Herr zu Hause ist, sind alle doppelt so streng mit ihr. Dabei kann sie doch auch nichts dafür, dass dieses Kind einfach nicht auf sie hören will. Er ist eben viel zu verwöhnt und sie kann ihn ja nicht einmal bestrafen, geschweige denn ihm eine Ohrfeige verpassen, auch wenn er es oft mehr als verdient hätte.
Ihre Kerze erlischt, die Dunkelheit verschluckt sie. Irgendwo in der Ferne knarren die Dielen, der Wind heult laut durch das Mauerwerk.
Maria umklammert ihren Kerzenhalter fest.
Die Tür des Gemachs öffnet sich.
„Maria!“, schallt es.
Die Stimme des Großfürsten lässt sie zusammenzucken. Sie schaut zögernd auf. „Ja?“, fragt sie mit zitternder Stimme.
„Wie kann es sein, das Eric noch mitten in der Nacht durch die Gänge spaziert?“
Ihre Finger zittern, während sie sagt: „Er war so aufgeregt wegen der Festlichkeit morgen. Ich habe ihn nicht beruhigen können!“
„Der Junge ist vier Jahre alt. Wenn ihr ihn jetzt schon nicht mehr im Griff habt, wie wollt ihr es wenn er älter wird? Auch dieses Chaos in seinem Zimmer, was soll das?“
„Ich habe aufgeräumt, bevor ich ihn ins Bett gebracht habe. Er muss das Chaos danach ...“
„Sei still!“
Maria schweigt und sieht auf den Boden.
„Ich wusste du bist zu jung für diese Arbeit. Wenn sich an den Zuständen hier nichts ändert, werde ich dich entlassen. Mir egal, dass deine Mutter schon seit Jahren unsere Köchin ist. Der Junge braucht eine strengere Hand, wenn aus ihm mal ein anständiger Nachfolger werden soll.“
„Ich verstehe!“, entgegnet Maria kleinlaut.
Der Großfürst geht an ihr vorbei, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen, nur seine Gemahlin bleibt noch einmal bei ihr stehen.
Sie schaut so freundlich wie immer. „Geh jetzt auch schlafen Maria. Es ist schon spät!“, sagt sie und gibt ihr eine der Kerzen aus dem silbernen Kerzenständer, dann geht auch sie.
Maria sieht den Herrschaften nach, dann fällt ihr Blick auf die geschlossene Zimmertür. Nichts als Ärger hat man mit diesem Bengel, wenn er doch nur schon erwachsen und nicht mehr ihr Problem wäre.
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