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 2. Kapitel ~Todgeglaubte leben länger~

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Enrico
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BeitragThema: 2. Kapitel ~Todgeglaubte leben länger~   2. Kapitel ~Todgeglaubte leben länger~ EmptySa Jan 08, 2011 1:33 pm

2. Kapitel
~Todgeglaubte leben länger~
New York bei Nacht. Ein überwältigender Anblick. So viele Lichter, so viele Menschen und Autos. Unter ihm begann das Nachtleben einer der größten Städte der Welt und über ihm verschwanden die Sterne. Schon seit Jahren hatte er keinen einzigen mehr gesehen. Nur der Mond schien hell und klar und verlor sich doch, anhand der vielen Lichter der Stadt.

Das Aufheulen einer Polizeisirene brach sich an den Hochhauswänden unter ihm und wurde vom stürmischen Abendwind zu ihm hinauf getragen, dann wurde es wieder still. Vom hektischen Treiben da unten, war hier nichts zu spüren. Ganz oben, auf den Wolkenkratzern der Stadt herrschte angenehme Ruhe. Nur der Wind rauschte durch die Lücken zwischen den Hochhäusern und über ihre Dächer und ihn hinweg.
Seit Monaten war der Sturm hier oben, die einzige Berührung, die er zuließ. Nur am Rande der Dächer, dem Abgrund so nah, fühlte er sich wieder frei. Wenn ihm der Wind um die Ohren schlug und seine Haare durcheinander brachte, er nur einen Schritt brauchte, um für immer zu vergessen, verschwanden all seine Sorgen und Ängste. Mit den Hände in den Taschen seiner Jeans, genoss er den Gedanken, es jederzeit beenden zu können. Seine Jacke flatterte, der Stoff zerrte an seinem mageren Körper. Er hatte Mühe sich dagegen zu stemmen. Seit Wochen hatte er kaum etwas gegessen, er hatte einfach keinen Hunger mehr.

Er hob seinen Blick und sah hinauf zum Mond. Wie passend, ein Wolf der bei Vollmond starb und dieses Mal war niemand da, um es zu verhindern. Noch einmal sah er sich auf dem Dach um. Er war ganz allein.
Vor der Welt schloss er die Augen, lauschte den gedämpften Geräuschen der Stadt und erinnerte sich an seine Heimat.
An die alte Fabrik, in der er so viele Jahre gewohnt hatte, das Heim in dem er aufgewachsen war, der stillgelegte Bahnhof, dessen Schienen unter Gras und Sträuchern verschwanden und der weiße Sandstrand, mit dem offenen Meer. In all die Orte seiner Vergangenheit mischte sich eine Gestalt, ein Gesicht, ein Lächeln. Unweigerlich legte sich auch auf sein Gesicht ein Lächeln, während in ihm die Stimme seines besten Freundes widerhallte:
“Bis in den Tod …” So oft hatte er zusammen mit ihm gekämpft, er war seine Quelle der Kraft gewesen und bevor die Bilder seines Todes zurück kamen, wollte er mit seinem Lächeln in die Tiefe stürzen.
“… zu dir zurück”, entgegnete er der Stimme in seinem Kopf und legte sich auf die Schwingen des Windes.
“Toni!”, flüsterte er.

“Enrico nicht!” Jemand rief seinen Namen? Eine Frau, ihr Tonfall, so bekannt, so unheilvoll, so nervend. Nicht schon wieder, war sein einziger Gedanke, als ihn eine Hand am Arm packte, ihn zurück zog.
“Spinnst du?”, rief eine andere Stimme, die eines Mannes, während ihn eine weitere Hand am Kragen packte, ihn endgültig vom Rand des Daches zurück zog. Stolpernd taumelte er in die Realität zurück und verlor dabei den Halt. Anstatt auf der Straße neben dem Wolkenkratzer aufzuschlagen, fiel er nur auf das Dach zurück und sah auf dem Rücken liegend zu den zwei Menschen auf, die meinten ihn retten zu müssen. Wie zum Teufel hatten sie ihn hier überhaupt gefunden? Suchend ging sein Blick über das Dach. Sicher waren sie den selben Weg gekommen wie er selbst. Den Fahrstuhl hinauf, bis ins oberste Stockwerk und über eine Luke aufs Dach.
“Sag mal bist du irre geworden? Was sollte das? Willst du dich umbringen?”, schrie der Mann ihn an. Ja, sicher, was sollte er auch sonst am Rande eines Daches wollen? Welch logische Schlussfolgerung. Von dem Mann mit den schwarzen, kurzen Haaren und den asiatischen Augen wanderte Enricos Aufmerksamkeit zu der Frau, die sich nun über ihn beugte. Besorgnis lag in ihrem Blick, Verzweiflung in ihrer bebenden Stimme:
“Lass uns nach Hause gehen!”
Ein guter Witz. Er konnte nicht zurück nach Hause, denn dort gab es nichts mehr, zu dem er hätte zurückkehren können und das, was sie zu Hause nannte, war nichts weiter als ein Gefängnis für ihn. Ein Ort, in dem sie alle scharfen Gegenstände aus seiner Reichweit entfernt hatten, an dem sie immer zur Stelle waren, wenn mit ihm etwas nicht stimmte. So wie auch jetzt, hätte er doch nur Anlauf genommen.
“Komm schon!”, drängte der Asiat und zog ihn am Arm auf die Beine.
Jetzt sollte er auch noch mit ihnen kommen, zurück in das alte Schiff, in dem sie hausten, in sein dunkles Zimmer, in dem ihn die Alpträume seiner Vergangenheit heimsuchten. Sehnsüchtig sah Enrico zum Rand des Daches zurück, fühlte noch einmal den stürmischen Wind über das Dach fegen, dann schubsten sie ihn schon voran und durch die Luke, zurück ins sichere Gebäude. Über den Aufzug brachten sie ihn gefahrlos ins unterste Stockwerk und über die Empfangshalle hinaus auf die Straße. Mit festen Schritten näherten sie sich einem roten Cabrio, das Auto Jans, ein Wunder, dass er nicht auch noch mitgekommen war.
Seufzend sah Enrico an dem Wolkenkratzer hinauf, fünfzig Stockwerke hoch ragte er. Einen Sturz aus dieser Höhe hätte er mit Sicherheit nicht überlebt und nun stand er hier unten, unversehrt. Welch Enttäuschung.
“Jetzt steig endlich ein!”, mahnt ungeduldig die Stimme des Mannes. Er und seine Begleiterin hatten schon im Wagen Platz genommen. Alles wartete nur auf ihn.
Einen letzten Blick warf Enrico hinauf zum vollen Mond. Heute Nacht würde es beenden, versprach er sich und seinem toten Freund.

Nur widerwillig stieg er ein, ließ sich auf dem Rücksitz nieder. Die Beine legte er auf dem freien Platz neben sich ab, während seine Hände zurück in den Taschen seiner Jeans wanderten. Sollten sie ihn ruhig zurück bringen, das würde nichts an seiner Entscheidung ändern. Wenn sie alle schliefen, fand er sicher etwas Brauchbares in der notdürftig eingerichteten Küche.

“Ich ruf Jan an. Hoffentlich hat er wenigstens etwas erreicht.”, hörte er die Frau sagen, als sich das Cabrio in Bewegung setzte. Einen fragenden Blick warf Enrico ihr zu. Was kam nun? Die Einweisung in eine Psychiatrie? Nein, das würden sie nicht wagen. Finster, einer Drohung gleich, beobachtete Enrico ihr Tun. Sie, in ihrem schwarzen, viel zu engen Kleid. Sie, mit den langen Haaren und den braunen Augen. Robin, seine älteste Verbündete, sie hatte ihm viel zu lange zur Seite gestanden, als ihn jetzt einfach abzuschieben und auch Lui, der Asiat mit den schwarzen Haaren, würde sich hüten seinen ehemaligen Chef in eine Irrenanstalt einzuweißen, oder? Misstrauisch ging Enricos Blick von einem zum anderen. Was heckten sie nur die ganze Zeit hinter seinem Rücken aus?
“Und hast du ihn endlich angerufen?”, rief Robin schroff in ihr Handy. Ihn? Wenn sie wohl damit meinte?
“Gut, was hat er gesagt? Kommt er her?” Herkommen? Jemand kam zu Besuch?
“Warum nicht? Hast du ihm nicht gesagt worum es geht?”, Robins Stimme wurde mit jedem Wort energischer, beinah schon aggressiv. Verwirrung machte sich in Enrico breit. Irgendetwas verschwiegen sie ihm schon seit sie her gekommen waren. Nur was? Schließlich wurde Robin wieder sanft, beinah mutlos ließ sie ihren Gesprächspartner wissen:
“Stimmt, du hast recht, daran hatte ich nicht gedacht… Ja… ja ihm geht’s gut.” Mit einen Blick in den Rückspiegel verdeutlichte Robin, dass sie wohl gerade über ihn sprachen. Prima, nun kam wieder die Mitleidsnummer. Entnervt wandte Enrico seinen Blick von ihr ab und über den Rücksitz, hinaus auf die Straße. Sollten sie ihre Pläne schmieden, er hatte seine eigenen.
Den Häusern und Leuchtreklamen sah Enrico zu, während sie an ihnen vorbei zogen. Nicht mehr lange und er war wieder zurück in der Einsamkeit seines Zimmers, dann würden sie sich auch einen Scheiß um ihn scheren.

Immer weniger Hochhäuser begleiteten die Fahrt. Schließlich wurden sie von kleineren Wohnblöcken abgelöst, letztlich blieben nur ein paar vereinzelte Einfamilienhäuser und schließlich nur noch Sand. Er knirschten unter den Rädern des Cabrios, während sie der Wagen das letzte Stück bis zum Meer trug. Sie waren da. In unmittelbarer Nähe des großen Frachters, in dem sie wohnten, hatte Lui geparkt und war schon ausgestiegen. Auch Robin hielt es nicht mehr im Wagen. Nur er wollte nicht aussteigen. Stur ließ Enrico seinen Blick über das Meer schweifen. Irgendwo dort hinter dem Horizont lag seine Heimat. Wie es dort wohl inzwischen aussah? Ob er seine Stadt überhaupt wieder erkennen würde, oder sie ihn?

“Enrico träum nicht, komm endlich!”, mahnte Robins Stimme. Ungeduldig warteten sie und Lui mal wieder nur auf ihn. Mit einem Seufzer raffte Enrico sich auf, quälte sich aus dem Rücksitz. Sein von Narben durchzogener Körper wollte ihm nur bedingt gehorchen. Alle Muskeln und Gelenke waren wie steif, ließen sich nur unter großer Anstrengung überhaupt bewegen. Er musste sich unbedingt ausruhen. Viel zu lange war er schon unterwegs gewesen. Bis in die Stadt, zu den ersten Wolkenkratzern war es weit gewesen, kein Wunder, dass er sich nun kaum auf den Beinen halten konnte. Bis in sein Bett, weiter würde er nicht gehen. Mit langsamen Schritt folgte Enrico seinen Freunden, die schon die Geduld mit ihm verloren hatten und voraus gegangen waren.

Über eine Rampe, gebaut aus zusammengenagelten Brettern, gelangte Enrico an Deck des Schiffes. Ein letzter Seufzer und er fügte sich den ungeduldigen Blicken, folgte seinen Freunden ins Innere des Frachters.
Bis sie alle zu Bett gegangen waren und tief und fest schliefen, konnten Stunden vergehen. Zeit genug sich selbst hinzulegen, auszuruhen, bevor sein Körper ihm gar nicht mehr gehorchte und er nicht einmal mehr ein Messer halten konnte.
Nach einer schweren Eisentür, die Lui ihnen öffnete, traten sie ein in einen langen finsteren Gang. Etliche Türen führten von dort in separate Zimmer, die alle durchnummeriert waren. Kabine 113, hier wollte er hin, die Tür hinter sich schließen und niemanden mehr sehen. Den verrosten Schlüssel im Schloss drehte er um, drückte die Klinke hinunter, bis Robins Stimme hinter ihm rief:
“Vergiss es! Du wirst mit uns zu Abend essen!” Er würde was? Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Essen, schon beim Anblick wurde ihm schlecht. Das konnten sie ohne ihn tun. Zügig versuchte sich Enrico in sein Zimmer zu flüchten. Weg von der Mahlzeit und den vorwurfsvollen Blicken, die ihn zum Essen zwingen wollten. Luis Hand aber zog ihn einmal mehr zurück. Mahnend erhob er den Tonfall als er sprach:
“Robin hat zwei Stunden in der Küche gestanden, da kannst du dich fünf Minuten zu uns setzen!” Ja, wenn es nur beim Setzten bleiben würde. Er hatte keinen Hunger mehr, wann würden sie das endlich begreifen?
Von der Tür drückte Lui ihn weg, schubste ihn vor sich her, bis sie den langen Gang hinter sich hatten. Ein großer Raum tat sich auf, in dessen Mitte einige Kerzen auf einem Tisch für Licht sorgten. Um den Tisch herum waren drei Sessel und ein Sofa aufgestellt. Genug Platz für sie vier, auf Gäste brauchten sie ja hier nicht zu hoffen.
Teller und Besteck lagen um die Kerzen herum verteilt, nur schemenhaft konnte man sie im flackernden Schein erkennen. Der einzige Vorteil an ihrem armseligen Leben, so würde er das Essen nur kaum erkennen.
“Ich geh`s noch mal aufwärmen”, mit diesen Worten schickte sich Robin an, in der rechten Hälfte des Raumes zu verschwinden. Irgendwo hinter alten Kisten und verstaubten Fässern, standen zwei Herdplatten, die von einem kleinen Dieselmotor angetrieben wurden.
Trotzdem, was Robin da zu zaubern versuchte, roch gar nicht schlecht. Ob sie sich wohl wirklich an einem Hasenbraten versucht hatte? Immerhin seine erklärte Lieblingsspeise. Während Enricos Blick ihr zweifelnd hinter die Kiste folgte, drückte Lui ihn in einen der Sessel. Von hier würde er so schnell nicht wieder weg kommen und im Grunde wollte er das auch gar nicht.
Das sie gemeinsam bei Tisch saßen war nicht Alltäglich. Jeder besorgte sich selbst etwas, wenn er Hunger hatte. Mit diesem Abendessen hatten sie sich sicher viel Mühe gegeben, beinah so, als wenn all ihre Hoffnung darauf beruhte, dass er endlich wieder aß. Er wollte sie nicht Enttäuschen. Auch Robin vor den Kopf zu stoßen, ihr Essen abzulehnen, lag ihm fern. Aber…
Kaum brachte Robin den gekochten Hase auf einem Tablett an, da drehte sich ihm schon der Magen um. So sehr er sich wünschte es wäre anders gewesen, bei gekochtem Fleisch wurde ihm einfach schlecht. Ein Abendessen würde er nie und nimmer überstehen. Eisern stemmte sich Enrico aus dem Sessel. Er musste hier weg.
“Du bleibst!”, tönte es neben ihm. Die Hand eines Mannes drückte ihn zurück. Dieser Typ hatte ihm gerade noch gefehlt. Der selbsternannte, neue Chef ihrer Gruppe, Jan Yutaka. Einst Polizist einer Spezialeinheit und später seine rechte Hand, nun nichts weiter als Enrico ein Dorn im Auge. Was brachte es schon, wenn er hier blieb und keinen Bissen hinunter brachte? Nur widerwillig gab Enrico dem Druck auf seiner Schulter nach, ließ sich wieder in den Sessel sinken. Um den Tisch herum führte Jan seine Schritte und nahm in dem Sessel ihm direkt gegenüber Platz. Feindselige Blicke tauschten er und Enrico aus, dann verschwand Jans rechte Hand in seiner Jackentasche und zog aus ihr ein Feuerzeug samt Zigarettenschachtel. Wie Enrico das bei Tisch hasste. Lässig zündete sich Jan eine der Kippen an und verstaute Feuerzeug und Schachtel wieder in seiner Jacke. Robin schnitt währenddessen den Braten an, verteilte einige herausgeschnittene Stücke auf den Tellern.
Wieder überkam Enrico das Gefühl hier nicht bleiben zu können. Nachdem Robin Klöße und Soße angerichtete hatte, lagen die Blicke seiner Freunde wieder auf ihm. Erwartungsvoll und so ernst. Es ging längst um sein Leben, das wussten alle. Wie lange sein geschwächter Körper das Hungern noch aushalten würde, wusste er selbst nicht genau. Trotzdem, der Teller vor ihm wollte einfach nicht appetitlich aussehen, dabei war alles mit so viel Hingabe zubreitet wurden.
Mit gesenktem Blick, um seinen Freunden nicht ins Gesicht sehen zu müssen, schob Enrico den Teller von sich. Er konnte nicht und im Grunde wollte er auch gar nicht.
“Gut dann verschwinde, bevor uns auch noch Appetit vergeht!”, schlug ihm die raue Stimme Jans entgegen.
“Jan!”, versuchte Robin ihn vergeblich zum Schweigen zu bringen.
“Was? Ist doch wahr. Ich kann den Waschlappen nicht mehr sehen. Er bekommt noch nicht mal den Mund auf. Los hau ab in dein Zimmer und vergiss das nicht!” Quer über den Tisch warf Jan das Messer, mit dem Robin zuvor den Braten angeschnitten hatte. Klirrend landete er auf Enricos Teller, warf den Braten vom Tellerrand.
“Meinen Segen hast du”, fügte Jan seiner Tat hinzu.
Ohne ein Wort sah Enrico noch immer unter allen Blicken hinweg. Nun hatte zumindest Jan ihn endgültig aufgegeben. Seine überflüssigen Worte, hätte er sich dennoch sparen können und auch eine Erlaubnis würde Enrico nicht brauchen. Wann er sich umbrachte, entschied er noch immer selbst.
Wütend erhob er sich. Was wusste Jan denn schon. Er hatte keine Alpträume die Nacht für Nacht zurück kamen, musste sich nicht jeden Morgen mit Schmerzen aus dem Bett kämpfen, nur um einen weiteren sinnlosen Tag zu verleben.
Ohne einen letzten Blick auf seine Freunde verließ Enrico den Raum, kehrte zurück in den dunklen Gang und steuerte seine Kabine an. Erst mit raschen Schritten, dann langsamer.
Etwas stimmte nicht mit ihm, ein Schwindelgefühl begleitete jede Bewegung, während sich ein Brennen in seinen Schulterblättern ausbreitete.
“Nicht schon wieder!”, stöhnte Enrico gequält, taumelte die letzten Schritte bis zur Tür und fing sich dort an der Klinke ab. Diese Art von Anfall kannte er nur all zu gut, aber musste das ausgerechnet jetzt sein? Was hatte er auch so weit laufen, sich derart verausgaben müssen? Und alles für nichts und wieder nichts.
Die zuvor geöffnete Tür gab seinem Gewicht nach, entließ ihn in die Zuflucht seines Zimmers. Mit letzter Kraft schloss er sie hinter sich, dann schwand die Kraft aus seinen Beinen, ließ ihn zu Boden gehen. Im Sitzen, lehnte sich Enrico zurück und zog die Beine an. Jetzt ging das schon wieder los. Immer wenn er so fertig und verzweifelt war, spielte sein Körper verrückt.
Zwei mal schlug Enrico seinen Kopf gegen die Wand in seinem Rücken. Seine Feinde hatte ganze Arbeit geleistet. Den Ärmel seiner Jacke schob Enrico zurück und sah auf den Arm darunter. Über den gesamten Unterarm zog sich vernarbte Haut, wie über der Rest seines Körpers. Unweigerlich musste Enrico an den Überfall auf sein Lager denken. An das Feuer, das seine Feinde gelegt hatten, dass ihn und seinen besten Freund eingeschlossen hatte.
Der Schmerz von damals kehrte zurück, breitete sich in seinen Körper aus, wie immer wiederkehrende Blitze.
“Toni, hilf mir doch!”, flüsterte er, flehte den Freund an, der schon lange nicht mehr an seiner Seite war. Dabei umschlang er mit den Händen über Kreuz seine Schultern. Sie die einst von den Katanas seines Erzfeindes durchschlagen wurden, stachen noch immer wie mit tausend Nadeln traktiert. Wo waren sie jetzt, die Freunde die ihn vom Dach holten? Sie die meinten er müsse unbedingt leben. Nun wo er sie wirklich hätte gebrauchen können, … nun waren sie nicht da.
Die ersten Tränen bahnten sich ihren Weg über seine Wangen und fielen auf seine angewinkelten Knie. Es sollte aufhören für immer. Nie wieder wollte er es spüren, frei sein von allen Empfindungen. Stattdessen konnte er sich kaum bewegen. Alle seine Muskeln zogen sich zusammen, zum Schutz vor dem was nur in seinen Gedanken existierte und ließ ihn nicht einmal bis in sein Bett kommen. Dabei war er so müde, wollte nur noch schlafen. Aber der Alptraum, der sich in seinem Kopf abspielte und die Krämpfe in seinem wunden Körper, ließen ihn nicht los. So blieb er eben sitzen. Wie immer allein mit seiner Verzweiflung, bis ihm vor Erschöpfung die Augen zu fielen und er sich, wie so oft, in den Schlaf geweint hatte.
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