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 3. Kapitel ~Nenn mich nicht Halbbruder~

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Enrico
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BeitragThema: 3. Kapitel ~Nenn mich nicht Halbbruder~   3. Kapitel ~Nenn mich nicht Halbbruder~ EmptySa Jan 08, 2011 12:11 pm

3. Kapitel
~Nenn mich nicht Halbbruder~
Endlich, die Schule war aus, das Fußballtraining auch. Nun konnte Enrico in die Tat umsetzen, was er sich schon den ganzen Vormittag geplant hatte. Ausgerüstet mit Schulranzen und Sportbeutel rannte er über den Schulhof und von ihm über die Straßen Limbachs. Sein Ziel war eine kleine Werkstadt nicht weit entfernt von der Schule. Dort wo sein Bruder arbeitete, wollte er ihm einen Besuch abstatten. Die zwei Blocks und vier einzelne Häuser hatte er schnell hinter sich gebracht, dann bog Enrico in einen Hinterhof ein. Das große Garagentor der Werkstadt war wie jeden Tag geöffnet. Immerhin war Sommer und die Wärme war beim Arbeiten schon so kaum auszuhalten.
Um so besser. Ungehindert konnte Enrico weiter laufen und auf das Auto zuhalten, unter dem er seinen Bruder vermutete.
“Bruuuderheeeerrz!”, begrüßte er zunächst nur das Cabrio, denn von Raphael lugten lediglich die Schuhe unter der Stoßstange hervor.
“Wer hat die Nervensäge rein gelassen?”, kam von unten zurück, während sich Enrico auf den Motorblock lehnte. Durch die Kabel und Schläuche hindurch konnte er nur den Schatten seines Bruders erkennen, als er ihm entgegnet:
“Du, als du das Tor offen gelassen hast.“
“Was willst du?”
“Dein Bestes.”
“Mein Geld?”
“Genau, pass auf”, aus seiner Hosentasche zog Enrico einen gefalteten weißen Zettel und begann diesen aufzuklappen, “Ich hab heute eine echt tolle Lederjacke gesehen. Die muss ich haben!”
“Und? Was hab ich damit zu tun?”
“Du musst mir was borgen! Ich zahl’s dir auch zurück.”
“Wann? In zwanzig Jahren? Verschwinde, ich hab zu Arbeiten.” Das war immer seine einzige Ausrede. Dabei hatte er die Zeichnung noch nicht einmal gesehen. Die Jacke war toll. Sie hätte Raphael sicher auch gefallen. Enrico hätte sie ihm sogar geborgt. Ab und zu… vielleicht…
“Komm schon. Schau’s dir wenigstens mal an! Außerdem steht mir ja wohl ein Anteil zu. Die Hälfte der Autos, mit denen du dein Geld verdienst, hab ich ja wohl mit repariert.” Beinah jeden freien Nachmittag hatte Enrico hier verbracht, um seinem Bruder zu helfen und nicht ins Heim zu müssen. Da war doch eine Belohnung nicht zu viel verlangt, oder?
“Ah der Kurze, willst du uns wieder helfen?”, erklang auf einmal die dunkle Stimme eines Mannes. Langsame Schritte hörte Enrico auf sich zu kommen. Ein grauhaariger Mann in einer blauen Latzhose gesellte sich zu ihnen. Mit einem verdreckten Lappen wischte er sich die Schmieren von den Fingern und blieb neben dem Cabrio stehen, unter dem Raphael lag. Der Chef und Meister Raphaels, Heinz. Wie immer hatte er ein freundliches Lächeln aufgesetzt und reichte ihm zur Begrüßung die schmutzige Hand.
“Nein, will er nicht. Er will mein Geld. Wirf ihn raus, sonst komm ich heute zu gar nichts mehr!”, Antwortete Raphael für ihn. Auf dem Brett auf dem er lag rollte er ein Stück unter dem Wagen hervor und sah ernst zu ihnen hoch. Kurzerhand legte Enrico seinen Fuß auf dem Brett zwischen Raphaels Beinen ab und schob ihn zurück unter das Cabrio.
“Ich dachte du hast zu Arbeiten?”, fügte er seiner Tat hinzu, dann unterbrach einmal mehr die Stimme des Werkstattchefs den Streit der Brüder.
“Enrico, kann ich mal unter vier Augen mit dir reden?” Verwirrt wand Enrico seinen Blick vom Boden neben dem Cabrio hinauf zu ihm. Unter vier Augen? Was gab es denn so wichtiges? So geheimnisvoll tat er doch sonst nicht. Erschrocken folgte Enrico ihm in ein kleines Büro am anderen Ende der Werkstatt. Den ganzen Weg über brütete er darüber, was Heinz wohl von ihm wollte. Ob er jetzt womöglich nicht mehr so oft hier her kommen durfte? Vielleicht hatte er auch ein Kabel verkehrt herum angeschlossen und ein Kunde war deswegen unzufrieden. Was wenn er nun seinem Bruder nicht mehr helfen durfte? Dabei hatte es ihm immer so viel Spaß gemacht, die alten Fahrzeuge zu reparieren. Wenn der Motor nach langem Fehlersuchen wieder ansprang, oder eine zerbeulte Motorhaube in neuem Glanz erstrahlte, war das immer ein Erfolgserlebnis gewesen. Anderseits hatte er hier wirklich nichts verloren, er war ja nur ein Schüler.
Als sich dir Tür des kleinen Büros hinter ihm schloss, sah Enrico nur zögernd auf. Was jetzt wohl folgen würde?
“Raphael hat mir von deinem Zeugnis erzählt!”, begann Heinz.
“Ok?” Und weiter?
“Um auf den Punkt zu kommen. Die Aufträge laufen gut und ich überlege schon lange wieder einen Lehrling einzustellen. Wenn du willst kannst du nach deinem Abschluss im nächsten Sommer bei mir anfangen!” Mit großen Augen sah Enrico den Mann in der fleckigen Latzhose an. War das wirklich sein Ernst? Einfach so und ohne eine Bewerbung schreiben zu müssen, oder durch etliche Vorstellungsgespräche zugehen?
“Wirklich?”, konnte er sein Glück noch gar nicht fassen.
“Sicher. Ich brauche dir ja kaum noch etwas beibringen. Also was sagst du?”
“Ja… auf alle Fälle. Also, klar, natürlich!”, versuchte Enrico vergeblich wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Er hatte eine Lehrstelle, einfach so. Gleich würde er sicher vor Freude platzen.
“Danke, danke, vielen Dank!”, musste er Heinz einfach anfallen und umarmen. Endlich würde er auch Geld verdienen, konnte sich eine eigene Wohnung leisten, weg vom Heim, ein normales Leben führen. Endlich auf eigenen Beinen stehen und dann noch mit einem Job, der ihm so viel Spaß machte. Das musste er Raphael erzählen.
Die Arme löste Enrico um seinen zukünftige Chef und stürmte aus dem Büro. Ein Kopfschütteln gepaart mit einem Schmunzeln warf Heinz ihm nach, dann stand Enrico schon wieder vor dem Cabrio, das Raphael noch immer zu reparieren versuchte.
“Raph, wir sind bald Arbeitskollegen!”, rief er freudig und zog das Rollbrett samt seinem Bruder unter dem Cabrio hervor.
“Ach du Scheiße!” Von ihm wanderte Raphaels Blick auf seinen Meister, der langsam auf sie beide zu kam.
“Habt Sie sich das wirklich gut überlegt, Meister?”
“Tu nicht so. Du hast doch dabei deine Finger im Spiel!” Ein Schmunzeln war Enrico dafür von Raphaels Seite sicher, eben so wie ein Zwinkern.
“Sicher, dann kannst du dir die Jacke selber kaufen und gehst mir nicht damit auf die Nerven!”
“Mach mal Platz und lass mich schauen!” Zwängte sich Enrico an seinem Bruder vorbei, um nach zu sehen, was für ein Problem es denn eigentlich mit dem Wagen gab. Rucksack und Sporttasche flogen dabei in eine Ecke der Werkstatt. Nicht lange und auch Enrico sah aus, wie alles hier. Fleckig, dreckig und voller Fett.
Denn ganzen Nachmittag half er so seinem Bruder bei der Arbeit. Hin und wieder sah auch Heinz nach dem Rechten. Von weitem beobachtete er die beiden Brüder, ließ sie allerdings allein werkeln, bis Raphael sich schließlich erhob und den Wagen startete. Alles lief wieder einwandfrei.
“Gut, dann macht Feierabend ich räum hier noch auf!”, schlug Heinz ihnen vor. Ein Angebot das keiner von beiden ausschlug. Raphael schloss nur noch die Motorhaube des Wagens, dann lief er seinem Fiat entgegen. Mit schnellen Schritten folgte Enrico ihm.
“Soll ich dich ins Heim fahren?”, schlug Raphael ihm vor. Aber genau das war es, was Enrico nicht wollte. Zurück ins Heim. Während er seine Sachen in den Kofferraum warf, schüttelte er mit dem Kopf.
“Kann ich nicht bei dir übernachten?”
“Schon wieder? Was wenn ich mir für heute Nacht nen Mädel eingeladen habe!”
“Deine Ausreden waren auch schon mal besser!”, mit diesen Worten schlug Enrico den Kofferraum zu. Als wenn Raphael ne Freundin hätte. Das passte gar nicht zu ihm. Als Single fühlte er sich viel wohler, das wusste Enrico genau.
“Mann, bin ich froh, wenn du ne eigen Wohnung hast!”
“Und ich erst. Von deinem Sofa bekomm ich auf Dauer nen steifen Nacken!” Damit war das Thema abgehackt und der alte Fiat brachte sie auf geradem Wege “nach Hause”. Schon seit Raphael vom Heim in seine eigene Wohnung gezogen war, verbrachte Enrico jede zweite Nacht bei ihm. In der kleinen 2-Zimmerwohnung, herrschten keine strengen Regeln, keine Bettzeiten. Auch wann gegessen wurde entschieden die Brüder selbst. Nur um die Dusche mussten sie jeden Abend erneut streiten.
“Ich geh zu erst!”, verkündete Enrico schon, als Raphael sein Auto vor der Wohnsiedlung parkte und sie beide ausstiegen.
“Du hast noch nicht mal nen Schlüssel!”
“Sicher?” Triumphierend schwenkte Enrico den Wohnungs- und auch den Haustürschlüssel seines Bruders vor ihm hin und her und ergriff daraufhin die Flucht. Während Raphael mit dem Verkehr zu tun hatte, hatte Enrico beide einfach vom Schlüsselbund gedreht. Heute Abend war er der Erste unter der Dusche, so viel stand fest.
“Wie hast du…?” Vergeblich suchte Raphael die Schlüssel am Bund, an dem auch sein Autoschlüssel hing. Mal wieder hatte er das Nachsehen. Mit dem ersten Schlüssel öffnete Enrico rasch die Haustür und mit dem zweiten Raphaels Wohnungstür im ersten Stock. Zielsicher steuerte er nach dem öffnen die zweite Tür rechts an und verschwand für eine halbe Stund im Badezimmer. Raphael hingegen musste sich als Verlierer um das Abendessen kümmern. Immer wieder der selbe Rhythmus. Nachdem Enrico fertig geduscht zurück kam, eroberte Raphael das Bad für sich, während Enrico sich über die fertige Pizza hermachte und sich dabei eine DVD für den Abend aussuchte. Auf Raphaels kleinem Fernseher war das zwar kein Kinobesuch, trotzdem noch besser als den Abend im Heim zu verbringen. Dafür hatten sich die beiden Brüder in einigen Jahren eine große DVD Sammlung zusammen gespart, aus der Enrico allerdings immer den selben Film auswählte.
“Und was schauen wir heute?” Mit einem Handtuch um die Hüften und einem weiteren um den Hals, mit dem er sich die nassen Haare trocken rubbelte, gesellte sich Raphael zu ihm. Die Hülle der DVD warf Enrico ihm zur Antwort auf den Stubentisch.
“Schon wieder! Was findest du an dem Film so toll?” Mit einem Murren ließ sich Raphael neben ihm nieder und betrachtete die Hülle entnervt.
“Die große Familie”, war Enricos kurze Antwort, während er den Titel lass. Im Dutzend billiger.
“Ich will auch mal so ne große Familie haben. Eine wo nicht die Hälfte fehlt.” Stur sah Enrico bei seinen Worten in den Fernseher. Raphael mochte dieses Thema nicht, sicher würde er darauf wie immer mit einem Schweigen reagieren. Trotzdem, Enrico wollte so gern mehr wissen, endlich offen darüber sprechen. Schon lange war er kein Kind mehr, er konnte sicher damit umgehen. Wenn Raphael doch nur endlich sein Schweigen brechen würde. Aber wieder blieb er stumm. Nur die Menschen im Film sprachen. Eine große glückliche Familie, mit Mutter und Vater, die sich um gleich 12 Kinder kümmerten. Wie gern wäre er eines von ihnen gewesen.
“Wie waren sie Raph?”, fragte Enrico irgendwann. Raphael musste es wissen. Er war schon acht gewesen. Er musste sich einfach noch an sie erinnern.
“Nicht so wie die im Fernsehen!”, kam leise von Raphael zurück. Ging das nicht ein bisschen präziser? Mit schief gelegtem Kopf sah Enrico zur Seite. Natürlich waren sie nicht so, sonst wären sie beide bestimmt nicht im Heim groß geworden.
“Geht das auch genauer?”
“Wozu?”, gereizt war Raphaels Stimme. Eigentlich höchste Zeit das Thema zu wechseln, wenn Enrico keinen Streit riskieren wollte, aber wann hatte er schon mal die Gelegenheit mehr zu erfahren? Sonst ließ sich Raphael noch nicht einmal auf ein Gespräch über ihre Eltern ein.
“Weil ich es endlich wissen will”, mit jedem ausgesprochenen Wort wurde auch Enricos Stimme rauer, ernst. Wie lange wollte Raphael das Versteckspiel noch spielen?
“Ich bin kein Kind mehr, du brauchst mich nicht mehr vor der Wahrheit schützen. Ich komm damit klar.”
“Womit? Das wir nicht mal den selben Vater haben?”
“Was?” Erschrocken sah Enrico zu seinem Bruder auf. Aufgebracht war dieser Aufgestanden, sah nun wutentbrannt auf ihn herab.
“Ja, Halbbruder. Bist du jetzt glücklicher?” Mit dem roten Knopf auf der Fernbedienung schaltete Raphael den Fernseher ab. Das Familienglück konnte er wohl nicht mehr ertragen und auch Enrico hatte schlagartig die Lust auf den Film verloren. Verwirrt und unfähig den Worten seines Bruders glauben zu schenken, sah er vor sich hin, versuchte zu begreifen und konnte es nicht. Raphael war nicht sein richtiger Bruder, nur verbunden durch die Mutter? Damit ging noch mehr verloren, als zuvor da gewesen war. Aber …und überhaupt… ! Kein klarer Gedanke ließ nun mehr eine Antwort, gar eine Frage zu. Dafür hatte Raphael genug gesprochen. Die Fernbedienung in seiner Hand warf er auf den Tisch zurück, dann drehte er Enrico den Rücken zu und verschwand in der Küche. Wie immer, wenn er sauer war, plünderte er den Kühlschrank. Aber heute würde ihr Gespräch nicht so enden. Das alles wollte Enrico genauer wissen. Mit festen Schritten ging er seinem Bruder nach und verlangte zu erfahren:
“Na schön, dann haben wir eben nicht den selben Vater, aber wer waren dann unser Väter?”
“Ich hab keine Ahnung.”
“Wie du hast keine Ahnung? Warum nicht?” Ein finsterer Blick lag in Raphaels Gesicht, als er sich vom Kühlschrank zu Enrico umdrehte. Beinah als wenn in seinen Augen eine düstere Vergangenheit aufflammte.
“Weil unsere Mutter auf den Strich gegangen ist und wir das Ergebnis sind.” Alles was Raphael wohl Jahrzehnte lang in sich weggesperrt hatte, sprudelten nun in einem Redeschwall aus ihm heraus.
“Von all den Kindern die sie sich hat machen lassen, waren wir die einzigen die Leben durften. Großartig! Zwischen Unrat, Drogen und ihrer Kundschaft. Da machte es auch nichts wenn die Kerle mal ausholten. Es ging ja nur gegen einen Dreijährigen, der sich eh nicht auf den Beinen halten konnte, weil er seid Tagen nicht gegessen hatte. Den bemerkte doch keiner, wenn er nicht gerade heulte.” Sprach er von ihm? Vor Raphaels finstern Worten wisch Enrico einen Schritt zurück. So hatte er seinen Bruder noch nie erlebt und noch immer war Raphael nicht fertig mit seiner Erzählung:
“Trotzdem, wir haben überlebt. Irgendwie. Haben uns mit den Ratten um die Reste gestritten, wenn all ihr Geld in ihren Venen verschwand. Es funktionierte über Jahre. Bis sie einmal keine Kohle mehr hatte, um ihre Sucht zu bezahlen. Aber es gab ja noch ein Angebot, von ihrem neusten Stecher. Verkauf den Kleinen, ich kenn da Freunde die gut für ihn Zahlen würden. Sie hat zugestimmt, zugestimmt meinen kleinen Bruder an einen Kinder-Pornoring zu verkaufen. Den Zwerg um den ich mich gekümmert hatte, seid er auf der Welt war. Der einzige der ein Lächeln für mich übrig hatte, mit dem ich Tag für Tag ums Überleben gekämpft hab. Ich hab dich genommen und bin abgehauen. Und Halbbrüderchen, willst du immer noch zurück zu Mami? Sie besuchen und ihr mal Hallo sagen? Vielleicht weiß sie ja wer dein Vater ist, dann könnt ihr wieder eine große und glückliche Familie sein.” Mit seinen letzten Worten stieß Raphael ihn bei Seite. Verschwand mit einer Flasche Bier im Wohnzimmer und ließ ihn mit all den Informationen allein. Unfähig überhaupt etwas zu empfinden versuchte Enrico zu verarbeiten, was er eben gehört hatte. Doch kein gesprochenes Wort wollte sein Verstand aufnehmen, bis auf eines. Halbbruder. Warum musste Raphael das immer wieder so betonen? Nichts was seine Eltern getan hatten oder welch Schrecken Raphael eben erzählt hatte, war so verletzend gewesen, wie dieses Wort. So herablassend, so eiskalt.
Mit langsamen Schritten schlich Enrico zurück ins Wohnzimmer. Raphael hatte sich auf dem Sofa nieder gelassen. Ihm mit dem Rücken zugewandt, sah er in den ausgeschalteten Fernseher und trank in zügigen Schlücken seine Flasche leer. Wie sollte er ihn jetzt nur ansprechen? Alles was Enrico sagen konnte, war fehl am Platz. Hätte er doch nie nachgefragt.
“Raph… es …es tut mir leid”, begann er den Tränen nah, “Ich wusste nicht… woher auch. Ich frag nie wieder nach, nur hör auf so zu reden.” Wahrlich, er erkannte seinen Bruder gar nicht mehr. So wüten, so aggressiv. Das war nicht er.
“Und… und hör auf mich Halbbruder zu nennen. Wir sind ganz normale Brüder und… eine glückliche und komplette Familie, nur wir zwei!” Als Enrico die Rückenlehne des Sofas erreicht hatte und noch immer keine Reaktion von seinem Bruder zurück kam, musste er ihn einfach umarmen.
“Sei wieder lieb!”, rief er ihn an, in der Hoffnung, den Bruder den er kannte, noch zu erreichen.
“Schon gut, es ist nicht deine Schuld”, kam irgendwann fast unhörbar leise von Raphael zurück, während er seine rechte Hand auf Enricos Unterarme legte.
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