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 Letzte Kapitel ~Die letzten Minuten~

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Enrico
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BeitragThema: Letzte Kapitel ~Die letzten Minuten~   Letzte Kapitel ~Die letzten Minuten~ EmptySa Jan 08, 2011 1:11 pm

Letzte Kapitel
~Die letzten Minuten~
Immer wieder schlugen die Kugeln durch die Fenster, zertrümmerten das Glass, schossen den Putz von den Wänden. Der Kampf hatte schon lange keinen Sinn mehr. Nur der Kinder willen waren sie noch hier. Gemeinsam mit Judy waren Enricos Kinder mit den wenigen Überlebenden geflohen. Einen letzten Kuss hatte Enrico seiner Frau gegeben, hatte ihr versprechen müssen, dass sie sich wieder sahen. Er hatte es geschworen, dabei kam er noch nicht einmal aus seiner Deckung heraus. Der Tisch hinter dem er mit Toni in Deckung gegangen war, würde sie nicht ewig schützen. Er musste endlich etwas unternehmen. Nach einem Blick in das Magazin seiner Waffe blieben ihm allerdings nicht genug Kugeln, um alle Feinde unschädlich zu machen, die sich in der großen Lagerhalle herum trieben.
“Gib mir deine Pistole!”, forderte er daher von Toni, der ihn nur verwirrt ansah.
“Was?”, war alles was sein Freund ihm entgegnet. Als wenn sie die Zeit gehabt hätten lange Frage-Antwortspiele zu spielen. Als Toni nicht sofort reagierte, riss Enrico ihm eine der beiden Pistolen aus der Hand, dann stand er auf. Von der Belagerung hatte er endgültig genug. Anstatt auf seine Deckung zu achten, schoss Enrico zurück und trat dabei aus der Sicherheit des Tisches. Die Kerle sollten nur schießen, dann wusste er wo sie waren und würde sie in die Hölle zurück schicken, aus der sie gekommen waren.
“Was soll der Scheiß? Bist du Lebensmüde!”, schrie Toni ihm nach, als die ersten Kugeln Enrico nur knapp verfehlten.
“Ja!!! Gib mir gefälligst Rückendeckung verdammt!” Die Schweine würde er auslöschen, einen nach dem anderen. Sie hatten sein zu Hause zerstört, seinen Clan, so viele seiner Freunde umgebracht. Jeder Drache, der es gewagt hatte hier einzudringen, würde diese Hallen nicht mehr lebend verlassen, dafür würde er schon sorgen und wenn er selbst dabei draufging. Ungeachtet der Kugeln die entlang seiner Arme zogen und irgendwo hinter im krachend in die Wände einschlugen, ging Enrico weiter. Lief bis in die Mitte der Halle, um auch wirklich in jeden Winkel treffen zu können. Tonis Prostest war ihm herzlich egal, so lange er ihm nur beistand, den ein oder anderen Schützen unschädlich machte, bevor der ihn tödlich verwunden konnte. Wie viele von diesen Teufeln waren hier nur eingedrungen. Egal wie viel er und Toni erschossen, ständig fielen aus einer anderen Richtung neue Schüsse. Nahm das denn gar kein Ende mehr? Nicht mehr lange und ihnen würde die Munition ausgehen. Während einer seiner beiden Pistolen schon stumm blieb, ging Enricos Blick abwechselnd vom Boden zu den Ecken, aus denen die Schüsse kamen. Überall Blut, tote Körper und Waffen. Noch bevor Enrico seine letzte Kugel verschossen hatte, ließ er seine leere Pistole zu Boden fallen und fuhr zeitgleich mit dem Fuß unter ein Gewehr, das neben einem der getöteten Männer lag. Als seine letzte Kugel verschossen war, ließ Enrico auch noch seine zweite Pistole fallen und warf stattdessen das Gewehr mit dem Fuß nach oben, um es aufzufangen und sich nicht danach bücken zu müssen. Aber auch in dieser Waffe waren nicht mehr genügend Kugeln. Gerade mal zwei seiner Widersacher konnte er damit ausschalten, dann blieb auch das Gewehr stumm. Was für ein scheiß Tag.
“Enrico!”, rief ihm Tonis heißer geschriene Stimme zu. Enrico brauchte sich nicht einmal nach ihm umzudrehen, um zu wissen, dass ihm sein Freund eine Waffe zuwerfen würde. Sie kämpften schon so lange gemeinsam, dass Enrico die Gedanken und Handlungsweißen seines Freundes vorhersehen konnte. Gekonnt, schon hundertfach einstudiert, fing Enrico die zugeworfene Pistole auf und richtete sie auf den letzten Winkel der großen Halle, aus der noch Schüsse fielen. Bevor er allerdings dazu kam den Abzug der Waffe zu drücken, schlug eine Kugel in seinen Oberschenkel ein, eine weiter traf seinen rechten Unterarm, mit dem er die Waffe führte und verzog den gezielten Schuss. Anstatt zu töten, schlug er irgendwo in einer der Wände ein. Erst ein Schuss aus Tonis Waffe brachte die ersehnte Ruhe. Der letzte Drache fiel aus seiner Deckung, klappte irgendwo in der Ferne einer dunklen Ecke zusammen. War es vorbei? Hatten sie endlich alle erwischt?
Noch immer raste Enricos Atem, schon lange schmerzte jeder Luftzug, der durch seine wunden Lungen raste. Seit dem Morgengrauen kämpften sie sich ihren Weg frei und jetzt ging schon die Sonne unter. Leuchtendrot spiegelten sich die letzten Sonnenstrahlen des Tages in dem gesplitterten Glass der Fenster.
Noch immer konnte Enrico die Waffe nicht runter nehmen. Unaufhörlich wandert sein Blick durch die Lagerhalle, doch nirgends rührte sich etwas. Waren jetzt wirklich alle tot? Erst jetzt wo die Anspannung des Kampfes nach ließ, begann sein verwundeter Arm zu zittern, selbst sein Bein ließ sich mehr ruhig halten, auch wenn er den Schmerz selbst kaum wahr nahm. Nur die Erschöpfung holte ihn ganz allmählich ein. Zu viele Gefechte, zu lange schon gab er alles um ihr zu Hause zu verteidigen. Ganz langsam schwand die Kraft aus seinen Beinen, gab seinem Gewischt nach. Während die Waffe aus seiner Hand glitt und zu Boden fiel, sank Enrico auf die Knie. Er musste ausruhen, wenigstens einen Moment, um wieder normal Luft zu bekommen. Aber noch immer musste er um jeden Atemzug kämpfen, während er sich schon auf die Arme stützte, um nicht ganz den Halt zu verlieren.
“Enrico, lass uns endlich von hier verschwinden!”, hörte er hinter sich Toni sagen. Als sich dessen heiße Hand auf seine Schulter legte, währe Enrico am liebsten zusammen gebrochen und für immer liegen geblieben. Vielleicht sollten sie wirklich von hier verschwinden. Lange genug hatten sie den letzten Überlebenden den Rücken für die Flucht gedeckt. Wenn sie hier noch lebend herauskommen wollten, dann sollten sie besser sofort verschwinden. Währe da nicht auf einmal ein seltsam abgehacktes Klatschen gewesen.
Durch die weit offen stehende Tür, die in eine angrenzende Lagerhalle führte, trat ein großer Mann. In einem langen, schwarzen Ledermantel gehüllt, betrat er langsam die Halle. Immer wieder durchdrang das aufeinander schlagen seiner Hände die Stille.
“Gar nicht mal so schlecht! Mehr als ich einem Waisenkind und einem Straßenköder zugetraut hätte!”, folgte die dunkle Stimme Michaels. Dem Chef der roten Drachen. Seine Worte waren so herablassend wie sein Blick. Dieses fiese Lächeln, das würde er ihm aus dem Gesicht schießen. Ganz automatisch griff Enricos Hand nach der Waffe, die er hatte fallen lassen, während sich seine Augenbrauen tief ins Gesicht zogen. Dieser elende Dreckskerl. Den würde er noch über den Haufen schießen, bevor sie verschwanden. Was spielte es da schon für eine Rolle, wie oft Toni ihn anflehte, sie sollten das Weite suchen?
“Enrico komm schon! Den erledigen wir ein andermal!”
“Nein! Das bringen wir jetzt zu Ende!” Nur mit Mühe gelang es Enrico sich auf die zitternden Beine zu kämpfen, den Mann, der für so viel Blutvergießen verantwortlich war, aufrecht gegenüber zu treten.
“Erstaunlich. Ich dachte du würdest liegen bleiben!”, erklang erneut die provokante Stimme Michaels und brach sich an den Wänden der Lagerhalle.
“Spar dir deine dummen Sprüche! Für dich mieses Schwein reicht meine Kraft allemal noch!”, murmelte Enrico mehr zu sich selbst, als zu einem den Anwesenden und versuchte sich dabei auf beiden Beinen zu halten. Warum musste ihm sein Körper auch ausgerechnet jetzt den Dienst verweigern? Wenn er doch nur seinen Arm noch einmal hätte heben können, um zu schießen. Aber er musste ja schwer wie Blei und blutüberströmt an seiner Seite hängen bleiben. Dabei hätte er diesem Mistkerl so gern das fiese Lächeln in Stücke geschossen. Stattdessen konnte Enrico neben sich einen Aufschrei Tonis hören. Irgendetwas hatte seinen Freund getroffen, hatte ihn von seiner Seite geschleudert. Als Enrico sich nach ihm umdrehte, lag Toni einige Schritte von ihm entfernt am Boden und versuchte sich vergeblich wieder aufzurichten. Ein dunkelhäutiger Hüne in einem weißen Mantel drückte ihm den Fuß in den Rücken und entriss ihm die Waffe. Butch? Wo war der denn auf einmal hergekommen. Enrico hatte seine Schritte noch nicht einmal gehört, dafür hob er nun seinen Arm, richtete den Lauf seine Pistole auf den großen Mann, der es gewagt hatte seinen Freund anzugreifen. Dann würde eben zu erst Butch sterben, was machte das schon für einen Unterschied? Wenn nur sein verdammter Arm nicht so zittern würde und der Abzug der Waffe nicht so schwer zu ziehen wäre. Der Schuss der folgte fiel nicht einmal aus seiner Waffe. Noch bevor Enrico dazu kam abzudrücken, schlug ihm eine Kugel aus Michaels Waffe die Pistole aus der Hand. Als Enricos Blick zurück zur Tür wanderte, durch die Michael zuvor gekommen war, versperrte ihm auf einmal ein Schatten die Sicht. Ein seltsamer Druck schlug sich zeitgleich durch seine linke Schulter, während sein Blick an dem schwarzen Mantel hinauf wanderte. Wie war der Kerl nur so schnell auf ihn zugekommen, um jetzt direkt vor ihm zu stehen, oder war er nur zu langsam gewesen? Ungläubig wanderte Enricos Aufmerksamkeit von dem überlegenen Lächeln seines Erzfeindes auf seine Schulter. Das Katana, das Michael stets bei sich trug, war durch das Leder seiner Jacke gedrungen hatte sich durch die komplette Schulter gebohrt und endete irgendwo hinter ihm. Wie hatte der Kerl das in einem Wimpernschlag bewerkstelligen können? Noch bevor Enrico der Schmerz der Wunde erreicht hatte, zog Michael sein Schwert zurück, trat ihm stattdessen mit aller Kraft in den Magen. Ohne sich abzufangen fiel Enrico rückwärts zu Boden und blieb röchelnd liegen. Noch bevor er begriffen hatte was geschehen war, durchschlug die Klinge Michaels erneut seine Schulter, dieses Mal jedoch die rechte. Erst im Boden unter ihm blieb das Schwert stecken.
“Willkommen in der Hölle Kleiner!”, dröhnte über ihm Michaels Stimme, während die Überraschung über die schnelle Niederlage, einem fürchterlichen Schmerz wich. Unaufhörlich breitete er sich in Enricos Schulterblättern aus, betäubte beide Arme. Ohne es zu wollen begann Enrico zu schreien, die wunden Lungen heißer zu brüllen. Dessen ungeachtet, ließ Michael von ihm ab und wand sich stattdessen einer Tasche in seinem Mantel zu. Aus ihr zog er Handschellen, die er Butch zuwarf. Noch immer mit dem Fuß in Tonis Rücken, fing dieser sie auf, während Michael auf sie zuging. Wieder erfüllte seine mächtige Stimme die Halle, als er vor Toni in die Knie ging:
“Heute Nacht wird es enden und du darfst zusehen!”
“Ich bring dich um!”, konnte Enrico Toni schreien hören
“Aber nicht doch. Maßlose Selbstüberschätzung steht dir nicht! Los bind ihn irgendwo fest!” Ganz gleich wie sehr sich Toni zur Wehr zu setzten versuchte, der Griff des dunkelheutigen Hünen war zu stark. Ohne weiteres zog er ihn mit sich. Vor einer der rostigen Heizkörper legte Butch Toni die Handschellen an und kettete ihn an einem der Rohre fest.
Verzweifelt sah Enrico zu. Die ganze Zeit versuchte er vergeblich die Klinge aus seiner Schulter zu ziehen. Die ganze Hand hatte er sich schon an ihr aufgeschnitten und doch nichts bewirkt. Mit der durchschlagenen Schulter konnte er einfach nicht genug Kraft aufbringen, um das Katana aus dem Boden zu reißen. Dafür nährten sich ihm die Schritte Michaels. Nur zögernd wagte Enrico seinen Blick zu erheben, in die dunklen fast schwarzen Augen seines Feindes zu sehen. Hatte er schon den Lauf seiner Waffe auf ihn gerichtet und würde dem ganzen jetzt ein Ende setzten? Statt einer Kugel trafen Enrico jedoch nur Tritte. Immer wieder in den Magen, bis er sich vor Schmerzen krümmte und Blut erbrach.
“Feigling!”, hauchte Enrico dem großen Mann kraftlos entgegen, als er endlich von ihm abließ. Während aus seinem Mund und über seine Lippen sein Blut floss, ging Michael vor ihm in die Hocke. Seine Hände griffen dabei in die Innentaschen seines Mantels. Irgendetwas suchte er in ihnen, während er ihn wissen ließ:
“Schon möglich. Aber ich lebe noch, du bald nicht mehr!” Ja sicher, dann würde er ihn eben jetzt erschießen. Seid den ersten Stunden des Überfalls hatte Enrico schon mit dem Leben abgeschlossen. Schade nur dass er diesen Teufel nicht hatte mit ins Grab nehmen können.
Anstelle einer Waffe zog Michael allerdings ein kleines Flächen und eine Spritze aus seinem Mantel. Was sollte das jetzt? Während er die Spritze mit der seltsamen Flüssigkeit aus dem Flächen aufzog, beobachtete Enrico ihn argwöhnisch. Wollte er ihn etwa mit Gift umbringen?
“Die hab ich für dich aufgehoben. Man sagt das wäre die beste Aufputschdroge, die man unter der Hand bekommen kann und wir wollen ja nicht, dass du uns zu schnell einpennst!” Drogen? So ein Zeug wollte er ihm verabreichen? Nicht mit ihm.
Aber nicht einmal seinen linken Arm, der krampfhaft um seinen Bauch geschlungen war, konnte Enrico heben, um sich zur Wehr zu setzen. Sein Körper wollte ihm einfach nicht mehr gehorchen. Als sich die Nadel der Spritze in seinen Arm drückte, sah Enrico Hilfe suchend zu Toni. Warum musste der nur so weit weg sein? Vor Jahren hatte ihm Toni schon einmal davon erzählt, dass Michael ihn nicht einfach nur töten würde, sollte er ihn je in die Finger bekommen. Warum hatte sich Toni darin nicht irren können? So wollte er nicht sterben. Im Kampf, im Kugelhagel ja, aber nicht unter Folter durch diesen Mistkerl.
Während sich die durchsichtige Flüssigkeit in seinem Blut verteilte, stand Michael wieder auf. Sein Blick wanderte über die Schulter zurück auf Butch und Toni. Die ganze Zeit über hatte Toni in ihn mit Worten provoziert, versucht die Aufmerksamkeit Michaels auf sich zu lenken, aber mehr als ein flüchtiger Blick war er Michael scheinbar nicht wert:
“Bring ihn zum schweigen! Er soll zusehen und mir nicht den letzten Nerv rauben!”, wies Michael lediglich Butch an, dann war wieder Ruhe. Wie Butch Toni zum Schweigen gebracht hatte, konnte Enrico am Boden liegend nicht erkennen. Zunehmens trübte sich sein Blick durch eine Platzwunde an der Stirn und das seltsame Mittel, dass Michael ihm verabreicht hatte. Was immer es war, es machte den Raum und die Menschen in ihm so viel größer. Alles erschien auf einmal bedrohlich, die Schritte Michaels auf dem kalten Boden, die immer lauter wurden, das seltsam Lichtspiel das die untergehende Sonne auf den toten Körpern entfachte. Stand wirklich alles in Flammen oder bildete er sich das nur ein?
“Ihr habt mir lange genug in mein Geschäft gepfuscht. Langsam wird es Zeit das wir abrechnen…” Aus den zerschossenen Fensterrahmen zog Michael eine große Glasscherbe und kam mit ihr in der Hand zu Enrico zurück. Hinter ihm ging er in die Hocke, riss Enrico dabei die Jacke von Arm, Schulter und Rücken. Leise, so das nur er es hören konnte, hauchte ihm Michaels heißer Atem ins Ohr:
“…Stunde um Stunde, die du mir immer wieder entwischt bist,… die die Drachen ohne Denijels Führung auskommen mussten... Du wirst dafür bezahlen, dass du ihn umgebracht hast. Für den Tag an dem ich ihn beerdigen musste und für jeden Moment in dem ich um ihn getrauert habe!” Mit jedem beendeten Satz zog Michael eine neue blutige Spur des Glases durch Enrico Rücken. Hinterließ tiefe brennende Wunden unter dem Hemd. Nur durch Schreien ertrug Enrico den Schmerz, den das Glas in seinem Fleisch zurückließ. Was sollte der ganze Scheiß eigentlich? Warum konnte er ihn nicht einfach töten und gut? Immer wieder ging Enricos Blick zurück auf Toni, der so unerreichbar fern war. Er musste doch irgendwas machen können. Irgendetwas was ihnen half. Aber er konnte nichts tun. Immer wenn Toni versuchte die Handschellen loszuwerden, schlug Butch auf ihn ein, bis auch Toni irgendwann die Kraft fehlte sich zur Wehr zu setzen. Zum ersten Mal seit sie sich kannten, meinte Enrico in den Augen seines Freundes Hoffnungslosigkeit zu lesen. Beide brauchten sie keine Worte mehr, um sich zu sagen, dass sie hier sterben würden. Das Versprechen, das er seiner Frau gegeben hatte, würde er wohl nicht halten können.
Während sich Michael einen Spaß daraus machte auch noch den Rest von Enricos Rücken mit der Scherbe blutig rot zu färben, ging langsam die Sonne unter. Die Schatte an den Wänden wurden größer, füllten den Raum schließlich gänzlich aus. Alles wurde dunkel. Nicht einmal Toni konnte Enrico mehr in der Lagerhalle ausmachen. Dafür donnerte Michaels Stimme immer wieder wie ein Gewitter auf ihn ein. Konnte er nicht mal aufhören ihn anzuschreien, immer dann wenn wer vor Erschöpfung die Augen schloss? Musste er ihn ständig treten oder ihm die Scherbe in den Körper jagen? Er sollte es endlich beenden. Mehr als den Tot verlangte Enrico doch schon gar nicht mehr. Warum gab sein Körper nicht endlich auf? Jeder Atemzug war so schwer, er wollte aufhören damit, aufhören damit ständig Blut zu spucken, sich zu krümmen wenn Michael mal wieder zugetreten hatte. Schon lange fehlte ihm die Kraft einfach mal zu schreien, wenn die Schmerzen unerträglich wurden. Stumm musste er es einfach ertragen. Wenn er doch nur Toni hätte erreichen können. Immer wieder griff Enricos Hand ins Leere, wenn er sie nach seinem Freund ausstreckte, bis auch sie kraftlos liegen blieb.

Erst als der Morgen graute, die ersten strahlen der Sonne die Dunkelheit erhellten, ließ Michael von ihm ab. Irgendwo hinter Enrico verhalten seine Schritte. War es endlich vorbei? Enrico wollte einfach nur die Augen schließen für immer, stattdessen blieben seine Augen an denen von Toni hängen. Genau so müde wie er selbst, sah sein Freund ihn an. Die smaragdgrünen Augen waren trüb geworden, sein Gesicht blass vom Blutverlust. Um Toni herum hatte sich sein Blut gesammelt, während seine gebundene Hand leblos an der Heizung hing. Spätestens jetzt war sicher, dass sie diesen Ort wirklich nicht mehr lebend verließen. Wenn es doch nur schon so weit wäre, wenn sie diese Welt und all ihren Schmerz hinter sich gelassen hätten. Stattdessen kamen die Schritte Michaels wieder näher. Der sollte Weg bleiben ihn in Ruhe lassen. Enrico konnte und wollte nicht mehr.
“Grüß Denijel in der Hölle von mir. Er wird sich sicher freuen seinen Mörder wieder zu sehen!”, donnerte noch einmal Michaels Stimme durch seinen Kopf, dann verteilte sich eine seltsame Flüssigkeit auf Enrico. Es roch widerlich nach Benzin und brannte entsetzlich in all den Schnittwunden. In einem seltsamen Muster verteilte Michael die durchsichtige Flüssigkeit aus einem Kanister auf ihm und schüttete die Reste durch die Lagerhalle bis zur Tür die ins Freie führte. Der Kanister flog wenig später in eine Ecke der Halle während sich Michaels Fuß auf seinen Oberkörper stemmte. Das Katana, das noch immer in Enricos Schulter steckte, zog Michael mit einem Ruck aus der Wunde und verstaute es wieder in der Scheide auf seinem Rücken. Unter dem Schmerz, den die Klinge zurück ließ, zogen sich noch einmal alle Muskeln in Enricos Körper zusammen. Wie gern hätte er jetzt laut aufgeschrieen.
“Muss das wirklich sein?”, mischte sich zum ersten Mal die Stimme Butchs ein. Mit langsamen Schritten kam er auf Enrico und Michael zu und blieb vor ihnen stehen.
“Und ob das sein muss. Das wird den letzten überlebenden Wölfen eine Lehre sein. Niemand legt sich ungestraft mit den Red Dragons an!” Noch einmal trat Michael Enrico mit aller Kraft in den Magen, noch einmal erbrach Enrico einen Schwall Blut, dann entfernten sich endlich die Schritte der beiden Männer. Nur noch ein Mal blieb Michael stehen, um sich nach etwas zu bücken. Vom Boden hob er die beiden Pistolen auf, die Enrico gehörten. Auch die Lederjacke, die Michael ihm irgendwann im Laufe der Nacht entrissen hatte, nahm er mit.
“Die behalt ich als Andenken!“, schalte noch einmal sein tiefe Stimme durch die Lagerhalle, dann entfernten sich seine Schritte und dich Butchs immer weiter. Als sie die Tür erreichten blieb nur das leise Klicken eines Sturmfeuerzeuges, das zurück geschlagen wurde und wenig später auf den Boden fiel. Dann wurde alles still, bedrohlich still. Sicher war es nicht nur der Geruch von Benzin, sicher war es wirklich welches. Ein letztes Mal zwang Enrico sich dazu aufzusehen. Noch einmal wollte er nach dem Freund in der Ferne greifen, auch wenn er ihn nie erreichen würde. Während sich das Feuer des Sturmfeuerzeugs rasendschnell auf den Spuren des Benzins ausbreiteten, die Michael gelegt hatte, konnte Enrico die Flammen in den gläsernen Augen seines Freundes sehen. Auch in den Scherben der gesplitterten Fensterscheiben spiegelten sie sich, noch bevor das Feuer ihn erreicht hatte. Warum nur auf diese Weise, warum nicht wenigstens in seinen Armen? Warum konnte er nicht noch einmal aufstehen und zu ihm gehen, bevor die Flammen sie einschlossen? Stattdessen flammte um und auf ihm ein loderndes Pentagramm. Das Feuer brauchte nicht lange, um sich durch die Stofffetzen und in seine Haut zu brennen. Ein letztes Mal schrie Enrico gequält auf, dann raubten ihm die Schmerzen ganz allmählich die Sinne. Nur seine Hand blieb weiter ausgestreckt nach dem Freund in der Ferne, als wenn er noch immer hoffte ihn irgendwann zu erreichen…
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